Leitsatz (amtlich)
Eine Klageerweiterung, die anhängig, aber mangels Zustellung nicht rechtshängig geworden ist, erhöht den Streitwert jedenfalls dann, wenn sie vor Schluss der mündliche Verhandlung bei Gericht eingereicht worden ist (Abgrenzung zu OLG Karlsruhe AGS 2007, 579).
Normenkette
GKG § 40
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 4 O 130/08) |
Tenor
1. pp.
2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil vom 29.10.2008 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 52.375,56 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verfolgte erstinstanzlich gegen den Beklagten zu 1. einen Zahlungsanspruch auf rückständige Mieten und gegen beide Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des gewerblich genutzten Mietobjekts. Die monatliche Miete betrug zuletzt 3.667,76 EUR zzgl. Umsatzsteuer, als Vorauszahlung für Nebenkosten waren 2.009,26 EUR nebst Umsatzsteuer vom Beklagten zu 1. geschuldet.
Nachdem der Zahlungsantrag zu 1. zunächst mit einem Wert von 42.220,42 EUR verfolgt worden war, beabsichtigte die Klägerin eine Erweiterung der Klage wegen weiterer rückständiger Mieten um 31.993,90 EUR. Sie reichte einen entsprechenden Schriftsatz ein und zahlte die Gerichtskosten. Nachdem der zuständige Richter am LG den Klägervertreter auf die Möglichkeit einer Verzögerung des Verfahrens bei Verhandlung über die Klageerweiterung hingewiesen hatte, verzichtete dieser für die Klägerin auf die Zustellung des Schriftsatzes. Mit einem am 29.10.2008 verkündeten Urteil gab das LG der Klage hinsichtlich des Zahlungsantrags weitgehend und hinsichtlich des Räumungsanspruchs vollständig statt. Den Streitwert setzte es für den Zahlungsanspruch ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes in einer den Gegenstand der Klageerweiterung berücksichtigenden Höhe fest.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Streitwertbeschwerde, der das LG nicht abgeholfen und die es dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat. Die in der Folgezeit eingelegte Berufung der Beklagten zu 2., mit welchem diese sich gegen ihre Verurteilung zur Räumung wendete, wurde zurückgenommen.
II. Nachdem die Beklagte zu 2. ihre Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer vom 29.10.2008 zurückgenommen hat,...(wird ausgeführt)
III. Die Streitwertbeschwerde der Klägerin ist gem. §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3, 66 Abs. 5 und 6 GKG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass die eingereichte, aber nicht zugestellte Klageerweiterung zu einer Erhöhung des Streitwerts geführt hat.
Bei einer Klageerweiterung richtet sich die Wertberechnung nach § 40 GKG. Danach kommt es darauf an, ob eine "Antragstellung" vorhanden ist, "die den Rechtszug einleitet". Inhaltlich stimmt dies mit der früheren Regelung in § 15 GKG a.F. überein. Die Formulierung "..., die den Rechtszug einleitet" ist bei einer Klageerweiterung dahin zu verstehen, dass grundsätzlich die schriftsätzliche Ankündigung eine Streitwerterhöhung bewirkt und nicht erst die spätere Antragstellung in einer mündlichen Verhandlung (vgl. OLG Karlsruhe AGS 2007, 579 ff.; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 40 GKG Rz. 2, 4). Für die Wertberechnung ist grundsätzlich der Zeitpunkt des den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden und diesen Rechtszug einleitenden Antrag entscheidend, also die Anhängigkeit (OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 1594; OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 255; s. auch Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 263 Rz. 32), nicht erst die Rechtshängigkeit (KG NJW-RR 2000, 215; a.A. OLG Dresden JB 2004, 378). Es kommt also nicht auf die Zustellung und erst recht nicht darauf an, ob über den Antrag verhandelt wurde (Hartmann, a.a.O., Rz. 3). Mithin sind für die Festsetzung des Streitwerts allein der Eingang des Klageerweiterungsschriftsatzes und dessen Klagebegehren von Belang.
Anderes mag gelten, wenn der die Klage erweiternde Schriftsatz erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht wird. Zwar sind neue Anträge nach der letzten mündlichen Verhandlung wirkungslos, auch mag eine Klageerweiterung dann unzulässig sein (OLG Düsseldorf MDR 2000, 1457 (1458); Zöller/Greger, a.a.O., § 297 Rz. a 2 m.w.N.). Ob aber mit dem OLG Karlsruhe (AGS 2007, 579 ff.) in einem solchen Fall davon auszugehen ist, dass der Antrag keine Anhängigkeit herbeigeführt habe, weil zwischen den Parteien kein Prozessrechtsverhältnis mehr begründet und damit kein "Rechtszug" eingeleitet werden konnte, ist durchaus zweifelhaft. Denn das Prozessrechtsverhältnis endet erst mit Rechtskraft der abschließenden Entscheidung. Jedenfalls ist im hier zu entscheidenden Fall Anhängigkeit ohne weiteres eingetreten. Auch wäre eine Zustellung des Antrags und eine entsprechende Verhandlung vor dem LG nach dem seinerzeit gegebenen Verfahrensstand möglich gewesen, wenn die Klägerin ihren Antrag weiterverfolgt hätte. In der Sache handelte es sich um eine Teilklagerücknahme vor Re...