Leitsatz (amtlich)

1. Die Streitwertfestsetzung ist grundsätzlich erst nach der Entstehung von Gerichtsgebühren geboten, also nicht im Prozesskostenhilfe-Verfahren.

2. Begehrt die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei ausdrücklich die Zustellung ihrer Antragsschrift (hier: Widerklage), um die drohende Verjährung zu hemmen, so veranlasst sie die Entstehung von Gerichtsgebühren, wenn sie nicht ausdrücklich nur die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfe-Gesuchs an den Gegner beantragt.

 

Normenkette

GKG § 63; RVG § 33; ZPO § 114; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 14

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 03.11.2010; Aktenzeichen 3 O 66/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 3.11.2010 aufgehoben und der Streitwert wie folgt festgesetzt:

bis zum 2.11.2010 auf EUR 72.532,65,

danach auf EUR 532,65.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. In dem vorausgegangenen Rechtsstreit war der Beklagte ab August 2008 auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar i.H.v. 532,65 EUR in Anspruch genommen worden. Für seine Rechtsverteidigung beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Er erhob sodann mit Schriftsatz vom 7.4.2009 eine durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedingte Widerklage auf Zahlung von 4.500 EUR nebst Zinsen. Der beabsichtigten Widerklage und der begehrten Prozesskostenhilfe-Bewilligung trat der Kläger entgegen.

Mit per Fax am selben Tage eingegangenem Schriftsatz vom 29.12.2009 erhöhte der Beklagte seinen Widerklageantrag um weitere 72.000 EUR nebst Zinsen und erstreckte seinen Prozesskostenhilfe-Antrag auf diesen Antrag. Ferner bat er, diesen Antrag im Hinblick auf die drohende Verjährung zuzustellen. Die Zustellung erfolgte am 16.2.2010. Zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe kam es nicht, weil der Beklagte eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorlegte.

Im Verhandlungstermin am 12.5.2010 erging gegen den Beklagten antragsgemäß Versäumnisurteil auf Zahlung von 532,65 EUR und Abweisung der Widerklage. Das LG setzte den Streitwert im selben Termin auf 77.032,65 EUR fest.

Der gegen das Versäumnisurteil vom Beklagten am 15.6.2010 eingelegte Einspruch, der sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 532,65 EUR richtete, ist im Verhandlungstermin vom 3.11.2010 durch II. Versäumnisurteil verworfen worden. Zugleich hat das LG den Streitwert auf 72.532,65 EUR herabgesetzt.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der eine Herabsetzung des Streitwerts auf 532,65 EUR begehrt. Das LG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde, mit der sich der Beklagte, wie er auf Nachfrage klargestellt hat, gegen die Streitwertfestsetzung wendet, ist gem. §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG zulässig, hat aber in der Sache nur geringfügig Erfolg. Das LG hat die auf Zahlung von 72.000 EUR gerichtete Widerklage zu Recht in die Wertfestsetzung einbezogen, hätte aber den Wert ab 15.6.2010 herabsetzen müssen, weil der Beklagte seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 12.5.2010 auf die Verurteilung zur Zahlung von 532,65 EUR beschränkt hat.

a) Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass sich die Streitwertfestsetzung grundsätzlich nach der Entstehung von Gerichtsgebühren zu richten hat. Denn gem. § 63 Abs. 2 GKG setzt das Prozessgericht den Wert "für die zu erhebenden Gebühren" durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren, in denen - wie im Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Gerichtsgebühren nicht zu erheben sind, wird der Streitwert nicht festgesetzt (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2010, 2098; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rz. 98). Der bloße Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe leitet kein mit Gerichtsgebühren belastetes Verfahren ein. In einem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren fallen keine Gerichtsgebühren an (Schneider/Herget, a.a.O., Rz. 4492). In diesen Fällen kann der Rechtsanwalt die Wertfestsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG aus eigenem Recht beantragen (OLG Brandenburg, a.a.O.)

Um ein solches Prozesskostenhilfeverfahren handelt es sich hier allerdings nicht, soweit der Widerklageantrag vom 29.12.2009 betroffen ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war der Antrag nicht nur auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichtet, ohne dass gleichzeitig die Widerklage in der Hauptsache anhängig gemacht werden sollte. Dementsprechend war der Wert zunächst auf 72.532,65 EUR festzusetzen.

Zwar hat der Beschwerdeführer seinen früheren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Erhöhung der bedingt eingereichten Widerklage erstreckt. Während er aber den ersten, niedrigeren Widerklageantrag über 4.500 EUR ausdrücklich für den Fall der Bewilligung angekündigt hatte, fehlte dieser Zusatz bei der Erhöhung der Widerklage. ...

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