Entscheidungsstichwort (Thema)
Der Antrag an das Beschwerdegericht, die Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des AG gem. § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG einzustellen, ist auch dann zulässig, wenn in I. Instanz ein Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht gestellt worden ist
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zulässigkeit des an das Beschwerdegericht gestellten Antrags, die Zwangsvollstreckung gem. § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG einzustellen, hängt nicht davon ab, dass in I. Instanz ein Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG gestellt worden ist.
2. Die Zwangsvollstreckung aus einem wirksamen (§ 116 Abs. 3 S. 2, 3 FamFG) und damit vollstreckbaren (§ 120 Abs. 2 S. 1 FamFG) Beschluss des AG -Familiengericht - kann auf Antrag einstweilen bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel eingestellt oder beschränkt werden (§§ 707 Abs. 1 S. 1, 719 Abs. 1 S. 1 ZPO, 120 Abs. 1, Abs. 2 FamFG), wenn das Rechtsmittel zulässig und in der Sache nicht ohne Aussicht auf Erfolg ist (OLG Hamm Beschl. v. 7.9.2010 - 11 UF 155/10; Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, § 120 Rz. 4) sowie der Schuldner glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 120 Abs. 2 S. 3 FamFG).
Normenkette
FamFG § 120 Abs. 2-3; ZPO § 707 Abs. 1 S. 1, § 719 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Neuss (Beschluss vom 01.05.2012; Aktenzeichen 45 F 49/12) |
Tenor
Auf den Antrag des Antragsgegners wird die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des AG - Familiengerichts - Neuss vom 5.10.2012 für die Zeit ab dem 1.5.2012 eingestellt. Im Übrigen wird der Einstellungsantrag zurückgewiesen.
Der Antragstellerin wird zur Verteidigung gegen die Beschwerde des Antragsgegners ratenfreie (notwendige) Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M, Düsseldorf, bewilligt.
Den Beteiligten wird vorgeschlagen, sich auf der Basis der durch den Einstellungsbeschluss vorgegebenen Erwägungen des Senats zu vergleichen. Die Antragstellerin behielte den ungeschmälerten Unterhaltsanspruch bis einschließlich April 2012, danach entfiele der Unterhaltsanspruch aufgrund einer eingreifenden Befristung nach § 1578b BGB.
Beschwerdewert: 8.702 EUR (12 × 611 EUR = 7.332 EUR;3.070 EUR - 1.700 EUR = 1.370 EUR; 7.332 EUR + 1.370 EUR = 8.702 EUR) Gründe:
Gründe
I. Das AG - Familiengericht - Neuss hat den Antragsgegner und Beschwerdeführer dazu verpflichtet, an die Antragstellerin Nachscheidungsunterhalt in näher festgelegter Höhe zu zahlen und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und gleichzeitig beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss einzustellen. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Unterhaltsanspruch sei durch das Ausgangsgericht unrichtig festgesetzt worden. Er betrage monatlich nur 170 EUR, so dass für die Zeit von April 2011 bis Januar 2012 ein Unterhaltsrückstand nur i.H.v. 1.700 EUR bestehe. Zudem schieden Unterhaltsansprüche ab dem 1.2.2012 aus, da ab diesem Zeitpunkt die Befristung des § 1578b BGB greife. Die von dem AG bestimmte Frist bis zum 30.4.2012 sei zu lang bemessen.
II. Der nach § 120 Abs. 2 Satz 2, 3 FamFG statthafte Antrag auf Einstellung der Vollstreckung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Der Antrag, die Zwangsvollstreckung gem. § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG einzustellen, setzt nach Auffassung des Senats nicht voraus, dass in I. Instanz ein Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 gestellt worden ist (so auch OLG Hamburg FamRB 2012, 279; OLG Rostock FamRZ 2011, 1679; OLG Bremen FamRZ 2011, 322; LArbG Berlin-Brandenburg, BB 2010, 52 zu § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG unter Aufgabe der zuvor vertretenen Auffassung, vgl. Beschluss vom 23.8.2007, NZA RR 2008, 42; Keidel-Weber, FamFG, 17. Aufl., § 120 Rz. 18; Griesche, FamRB 2012, 93; a.A. OLG Frankfurt FamRZ 2012, 576).
Gegen die Auffassung des OLG Frankfurt spricht zunächst, dass weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Gesetzgebungsmaterialien einen Hinweis darauf geben, dass die Zulässigkeit des in II. Instanz zu stellenden Antrags nach § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG voraussetzt, dass in I. Instanz ein Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG gestellt worden ist. Nach dem Gesetzeswortlaut stehen die Regelungen unabhängig nebeneinander (Griesche, a.a.O., S. 96). Es hätte immerhin nahegelegen, eine Abhängigkeit des Antrags in II. Instanz von der Stellung des Antrages in II. Instanz ausdrücklich zu regeln, da im Rahmen des § 62 Abs. 1 ArbGG, dem die Regelung des § 120 FamFG nachempfunden ist, ebenfalls eine solche Abhängigkeit von Teilen (der allerdings älteren) Rechtsprechung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, NZA-RR 2008, 42, s.o., aufgegeben; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 3.1.2008 - 13 Sa 1895/07, bei juris) vertreten wird.
Es kommt hinzu, dass kein sachlicher Grund ersichtlich ist, warum der Vollstreckungsschuldner dazu gezwungen werden sollte, schon in I. Instanz einen Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG zu stellen, um dann noch in II. Instanz den Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG stellen z...