Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die Aufhebung einer Ausschreibung wird mit Wirkung nach außen erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem betreffenden Bieter bekannt gegeben wird. Das folgt daraus, dass das (vorvertragliche) Rechtsverhältnis, welches durch die Ausschreibung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern entsteht, nicht durch eine bloß behördeninterne Willensbildung, sondern nur dadurch beendet werden kann, dass die Aufhebungsentscheidung den Bietern bekannt gemacht wird.

2. Ein Bieter, der einen Nachprüfungsantrag mit Beanstandungen von der Ausschreibung anhaftenden Vergaberechtsverstößen bei der Vergabekammer eingereicht hatte, bevor ihm die Aufhebungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers zugegangen war, kann zulässigerweise die Feststellung beantragen, dass er durch die beanstandeten Vergaberechtsverstöße in seinen Rechten verletzt worden ist. Dieser Fortsetzungsfeststellungsantrag kann auch noch erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt werden, selbst wenn die Aufhebungsentscheidung dem Antragsteller schon während des Verfahrens vor der Vergabekammer bekannt gemacht worden war. Die Feststellung einer Rechtsverletzung entfällt jedoch, wenn die Aufhebung der Ausschreibung durch einen der in § 26 VOL/A/§ 26 VOB/A genannten Gründe gerechtfertigt war.

3. Ist ein Fortsetzungsfeststellungsantrag mit Blick auf einen von mehreren beanstandeten Vergaberechtsverstößen einer inzwischen aufgehobenen Ausschreibung begründet, so bedarf es keiner Entscheidung, ob auch weitere Beanstandungen von der Ausschreibung anhaftenden Fehlern sachlich berechtigt sind, wenn das Feststellungsinteresse in der Vorbereitung einer Inanspruchnahme des öffentlichen Auftraggebers auf Schadensersatz (und nicht auch in der Abwehr einer Wiederholungsgefahr) liegt. Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn durch einen der weiterhin beanstandeten Vergaberechtsverstöße dem Antragsteller ein separater Schaden entstanden sein kann, was der Antragsteller jedoch darlegen muss.

 

Normenkette

GWB § 114 Abs. 2 S. 2, § 123 S. 3 u. 4; VOL/A § 26; VOB/A § 26

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Düsseldorf (Aktenzeichen VK - 22/2001 - L)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 26.9.2001 (VK – 22/2001 – L) aufgehoben, mit Ausnahme der Ziffer 5 der Beschlussformel.

Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt hat, dass er bei der im Juni 2002 veröffentlichten Ausschreibung für die „Lieferung von 2.344 Sätzen Körperschutzausrüstungen – leichte Ausführung” (Vergabe-Nr. 01.53620 – Protektoren) die Lieferfrist unangemessen kurz bemessen hat.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der dort angefallenen notwendigen Auslagen des Antragsgegners.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 55 % und der Antragsgegner zu 45 %.

Die Beigeladene hat ihre Aufwendungen selbst zu tragen.

III. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragstellerin und den Antragsgegner sowohl im Vergabekammerverfahren wie auch im Beschwerdeverfahren notwendig.

IV. Der Beschwerdewert wird für die Zeit bis zum 5.2.2002 auf bis 99.000 Euro und für die Zeit danach auf bis 51.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

I. Die Antragstellerin hat im Verhandlungstermin des Senats ihr ursprüngliches Begehren, den Antragsgegner zur Fortsetzung des streitbefangenen Vergabeverfahrens zu verpflichten, aufgegeben. Sie nimmt nunmehr die vom Antragsgegner am 21.8.2001 verfügte Aufhebung des Vergabeverfahrens hin und verfolgt lediglich noch die – ursprünglich bloß hilfsweise erstrebte – Feststellung, dass sie im Rahmen des (aufgehobenen) Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt worden ist. Mit diesem Begehren ist die Beschwerde begründet. Die Antragstellerin wendet sich darüber hinaus gegen die Feststellung der Vergabekammer, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für den Antragsgegner im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig war. Insoweit bleibt das Rechtsmittel erfolglos.

A. Es ist festzustellen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin in dem – im August 2001 aufgehobenen – Vergabeverfahren über die Anschaffung von 2.344 Sätzen Körperschutzausrüstungen dadurch in ihren Bieterrechten verletzt hat, dass sie die Lieferfrist unangemessen kurz bemessen hat.

1. Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Feststellungsbegehrens bestehen – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – nicht.

a) Der Feststellungsantrag ist gem. §§ 123 S. 3 und S. 4, 114 Abs. 2 S. 2 GWB statthaft. Nach den genannten Vorschriften stellt, wenn sich das Nachprüfungsverfahren (u.a.) durch die Aufhebung der Ausschreibung erledigt hat, das Beschwerdegericht auf Antrag fest, ob das die Nachprüfung betreibende Unternehmen ...

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