Leitsatz (amtlich)

1. Eine Stellung als Nachlassgläubiger im Sinne des § 1970 BGB erwächst auch aus gegen den Nachlass gerichteten Forderungen wegen der Einleitung nachlassbezogener Verfahren (Nachlasskostenschulden), so den - vor Beginn der Aufgebotsfrist dem Grunde nach entstandenen - Kosten eines Aufgebotsverfahrens nach § 1970 BGB.

2. Zu einer materiell-rechtlichen Überprüfung der angemeldeten Forderung ist das Gericht im Aufgebotsverfahren nicht berechtigt.

 

Normenkette

BGB § 1967 Abs. 2, § 1970; FamFG §§ 437, 459 Abs. 1 S. 1, § 459 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Dinslaken (Beschluss vom 22.03.2017; Aktenzeichen 14 UR II 2/16)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - teilweise dahin geändert, dass zusätzlich zu den dort bezeichneten vier Nachlassgläubigern auch dem Antragsteller die von ihm angemeldete Forderung gegen den Nachlass, nämlich auf Erstattung gerichtlicher (Gerichtskostenrechnung vom 19.10.2016) und außergerichtlicher (anwaltliche Berechnung vom 6.7.2016) Kosten für das vorliegende Aufgebotsverfahren in Höhe von insgesamt 1.108,02 EUR, vorbehalten wird.

 

Gründe

1. Das infolge der vom AG mit Beschluss vom 5.4.2017 erklärten Nichtabhilfe beim Senat zur Entscheidung angefallene Rechtsmittel des Antragstellers ist als befristete Beschwerde statthaft und (unabhängig von der umstrittenen Frage des Fristbeginns bei zugestelltem Ausschließungsbeschluss) auch im Übrigen zulässig, §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs.; 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 439 Abs. 3, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG.

In der Sache ist es begründet. Die Forderungsanmeldung des Antragstellers mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 7.12.2016 hätte berücksichtigt werden müssen.

a) Sie wahrt die Formerfordernisse des § 459 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

b) Der Antragsteller ist Nachlassgläubiger gemäß § 1970 BGB.

Hierunter ist jeder Gläubiger einer Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB zu verstehen, nicht nur ein Gläubiger von Erblasserschulden, sondern auch ein solcher von Erbfallschulden (BeckOK BGB - Lohmann, Stand: 01.11.2016, § 1970 Rdnr. 2f; jurisPK BGB - Klinck, Stand: 15.03.2017, § 1970 Rdnr. 15; Erman-Horn, BGB, 14. Aufl. 2014, § 1970 Rdnr. 1; MK-Küpper, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1970 Rdnr. 6.; Staudinger-Dutta, BGB, Neubearb. 2016, § 1970 Rdnr. 13 und 19). Zu letzteren gehören anerkanntermaßen gegen den Nachlass gerichtete Forderungen wegen der Einleitung nachlassbezogener Verfahren (Nachlasskostenschulden), darunter die Kosten des Aufgebotsverfahrens nach § 1970 BGB (Lohmann a.a.O., Rdnr. 13; Klinck a.a.O., Rdnr. 34; Küpper a.a.O., Rdnr. 2 sowie § 1967 Rdnr. 10a und 11; Dutta a.a.O., Rdnr. 3 a.E.). Die Stellung als Kostenschuldner schließt mithin nicht - wie das AG gemeint hat - die Anmeldeberechtigung aus, sondern begründet diese überhaupt erst, indem sie den Kostenschuldner zum Nachlassgläubiger macht.

Allerdings sind (vgl. die eingangs angeführten Nachweise) Nachlassgläubiger gemäß § 1970 BGB solche Gläubiger nicht, deren Forderung erst nach dem Beginn der Aufgebotsfrist dem Grunde nach entsteht. Doch abgesehen davon, dass diese Auffassung allein zu Schutze jener Gläubiger entwickelt worden ist - ihnen sei eine Anmeldung innert schon laufender Frist nicht zuzumuten -, liegen die Dinge hier nicht im genannten Sinne: (Sogar) der Aufgebotsbeschluss datiert erst vom 7.11.2016 und damit zeitlich deutlich nach den vom Antragsteller vorgetragenen forderungsbegründenden Umständen, nämlich der Gerichtskostenrechnung und der anwaltlichen Kostenrechnung.

c) Zu einer materiell-rechtlichen Überprüfung der angemeldeten Forderung ist das Gericht im Aufgebotsverfahren nicht berechtigt (Keidel-Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 440 Rdnr. 5), und zwar weder im ersten, noch im zweiten Rechtszug (Klinck a.a.O., Rdnr. 30 und 32). Daher kommt es insbesondere nicht darauf an, ob dem Antragsteller überhaupt ein Erstattungsanspruch gegen die Erbengemeinschaft zusteht, ob dieser auf Zahlung oder nur auf Freistellung gerichtet ist und ob, die Anspruchshöhe betreffend, die Rechnungen von einem zutreffend bestimmten Geschäfts- bzw. Gegenstandswert ausgehen.

2. Eine Kostenentscheidung für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst. Es gibt keinen Grund, den Antragsteller mit Gerichtskosten für sein erfolgreiches Rechtsmittel zu belasten (vgl. §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG), und eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet schon deshalb aus, weil am Beschwerdeverfahren nur der Antragsteller teilgenommen hat.

Angesichts dessen besteht auch kein Anlass für eine Wertfestsetzung von Amts wegen und wegen des Rechtsmittelerfolges ebenso wenig für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10877638

FamRZ 2017, 1880

FGPrax 2017, 239

ZEV 2017, 456

MDR 2017, 950

Rpfleger 2017, 544

ErbR 2017, 560

NJW-Spezial 2017, 616

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