Leitsatz (amtlich)
1. Eine im Ausland unter Nichtbeachtung der Bestimmungen des HAÜ ausgesprochene Adoption kann gemäß den nationalen Anerkennungsregeln der §§ 108, 109 FamFG anzuerkennen sein.
2. Nach dem anerkennungsrechtlichen ordre public-Vorbehalt des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist eine ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint. Im Interesse der Wahrung des internationalen Entscheidungseinklangs und der Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse ist § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG eng auszulegen.
3. Wenn das der anzuerkennenden Adoptionsentscheidung zugrunde liegende ausländische Recht ausdrücklich eine Kindeswohlprüfung vorsieht, ist vorbehaltlich gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass das ausländische Gericht das Kindeswohl geprüft hat.
Normenkette
FamFG § 97 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 2, § 109 Abs. 1 Nr. 4; HAÜ Art. 4-5, 23
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Aktenzeichen 253 F 81/16) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Düsseldorf vom 04.01.2018 wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt:
Die Annahme des am ... geborenen Kindes D. durch die Antragsteller, die Eheleute C., als deren gemeinschaftliches Kind gemäß dem Urteil der 4. Kammer des Familiengerichts A. (Türkei) vom 23.12.2015 (Haupt-Nr. ..., Beschluss-Nr. ...) wird anerkannt.
Das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu den bisherigen Eltern ist durch die Annahme nicht erloschen.
Das Annahmeverhältnis steht in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht der Antragsteller einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleich.
Die Gerichtskosten für das Verfahren erster Instanz tragen die Antragsteller zu je 1/2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
III. Beschwerdewert: 5.000 EUR.
Gründe
I. Das betroffene Kind ist aus der 2001 geschlossenen Ehe der Frau A. (im Folgenden: Mutter) und des Herrn A. (im Folgenden: Vater) hervorgegangen. Die Familie lebte in A. (Türkei). Der Vater ist am 11.05.2009 verstorben. Die 1971 geborene Antragstellerin zu 2 ist die Schwester der Mutter. Sie ist seit 1997 mit dem 1975 geborenen Antragsteller zu 1 verheiratet. Beide wohnen in Deutschland. Nach dem Tod des Vaters haben die Antragsteller das Kind jährlich mehrere Male während längerer Aufenthalte in A. (Türkei) in ihre dortige Wohnung aufgenommen. Im Sommer 2015 hat D. drei Monate bei den Antragstellern in Deutschland verbracht. Auf den Antrag der Antragsteller hat die 4. Kammer des Familiengerichts A. (Türkei) mit Urteil vom 23.12.2015 ausgesprochen, dass das Kind durch die Antragstellerin zu 2 und den Antragsteller zu 1 adoptiert wird. Seit September 2016 lebt D. bei den Antragstellern in Deutschland.
Die Antragsteller haben die Feststellung beantragt, dass die durch die 4. Kammer des Familiengerichts A. (Türkei) ausgesprochene Annahme des Kindes wirksam und anzuerkennen ist und das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und ihrer, der Antragsteller, Unterhaltspflicht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht. Das Bundesamt für Justiz hat darauf verwiesen, dass eine Anerkennung der türkischen Adoptionsentscheidung nach den Regeln des Haager Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.05.1993 (HAÜ) wegen der unterbliebenen Beteiligung der zentralen Behörden des Heimatstaats Türkei und des Aufnahmestaats Deutschland sowie der fehlenden Konformitätsbescheinigung nicht erfolgen könne. Darüber, ob auf die nationalen Anerkennungsregeln zurückgegriffen werden könne, habe das Gericht zu befinden. Ein einschränkungsloser Rückgriff sei aber abzulehnen.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Einer Anerkennung nach Art. 23, 24 HAÜ stehe die Nichteinhaltung des im HAÜ geregelten Verfahrens entgegen. Eine Anerkennung gemäß §§ 108, 109 FamFG komme nicht in Betracht, weil diese Normen wegen des Vorrangs der Bestimmungen des HAÜ nicht anwendbar seien, scheitere jedenfalls aber daran, dass die Adoptionsentscheidung gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG gegen den ordre public verstoße, da Hauptmotiv für die Adoption nicht das Kindeswohl gewesen und die (Auslands-)Adoptionsbedürftigkeit nicht ausreichend geprüft worden sei. Hinzu komme, dass das türkische Gericht irrigerweise davon ausgegangen sei, dass die Antragsteller das Kind seit seiner Geburt selbst großgezogen hätten.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihren Antrag unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Das Bundesamt für Justiz nimmt zur Sache auf seine erstinstanzlichen Ausführungen Bezug un...