Leitsatz (amtlich)
1. Die Einziehung eines Erbscheins ist im Rechtssinne erst mit der Rückgabe der erteilten Ausfertigung an das Nachlassgericht erfolgt.
2. In einem Erbscheinverfahren ist die Durchführung eines Termins oder einer mündlichen Verhandlung im Beschwerderechtszug nicht grundsätzlich geboten.
Normenkette
FamFG §§ 29, 32, 34, 68 Abs. 3, § 353 Abs. 2; BGB § 2361 Abs. 1 S. 1; MRK Art. 6
Verfahrensgang
AG Neuss (Beschluss vom 17.09.2010; Aktenzeichen 132 VI 149/09) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten zu 2. auf Einziehung des Erbscheins vom 2.7.2009 wird zu-rückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2. hat die Kosten des Einziehungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Geschäftswert: 35.000,- -
Gründe
I. Die Beteiligten sind Halbschwestern. Ihr gemeinsamer Vater war der 1993 vorverstorbene Ehemann der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1. ist aus der Ehe der Erblasserin und ihres Ehemannes hervorgegangen, die Beteiligte zu 2. ist eine Tochter des Ehemannes aus einer früheren Ehe.
Unter dem 13.12.1992 errichteten die Eheleute ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament. In diesem heißt es u.a.:
"Wir ... bestimmen für den Tod des einen von uns beiden, dass der überlebende Partner gem. § 2269 BGB alleiniger Erbe des gesamten aus der bestehenden Gütergemeinschaft und auch Zugewinngemeinschaft herrührenden Nachlasses wird. Diese Festlegung wurde getroffen, um dem überlebenden Ehepartner einen allseitig abgesicherten und weitgehend störungsfreien Lebensabend ohne Belästigung anderer Erbberechtigten sicherzustellen.
Nach dem Tod des verbliebenen Partners tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Dieses bezieht sich auf die Tochter aus der ersten Ehe des männlichen Erblassers R. D. -R. sowie die Tochter beider Erblasser E. -M. R. -B."
Mit der Testamentsurkunde verklammert ist ein handschriftlicher und ebenfalls von beiden Eheleuten unterzeichneter Zusatz, der u.a. lautet:
"Zu dem Gemeinschaftlichen Testament der Eheleute Dr.-Ing. H. und M. R. geb. V. vom 13.12.1992 werden von den Erblassern bezüglich der Erbmassenaufteilung bei den gesetzlichen Nacherben folgende Einschränkungen gemacht:
Da ein Teil des gegenwärtigen Wohnungs-Inventars als eingebrachtes Erbgut aus dem Besitz der Familien V. -S. zu betrachten ist und diese Einzelstücke dem betreffenden Familienzweig weitgehend erhalten bleiben sollen, werden die im Folgenden aufgeführten Gegenstände aus der allgemeinen Erbmasse ausgeklammert und sollen ohne Aufrechnung auf die sonstigen Erbteile der diesen Familienzweig weiterführenden gemeinsamen Tochter E. -M. R. -B. bzw. als Nacherben deren Kinder a)... b)... c)... zufallen.
Im einzelnen handelt es sich um folgende Dinge:..."
Auf Antrag der Beteiligten zu 1. vom 17.6.2009 ist unter dem 2.7.2009 ein diese als Alleinerbin nach der Erblasserin ausweisender Erbschein erteilt worden.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2. Mit Schrift ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 5.2.2010 hat sie die Einziehung des bezeichneten Erbscheins beantragt. Zugleich begehrt sie zumindest der Sache nach die Erteilung eines gemeinschaftlichen, beide Beteiligten als Miterbinnen zu je §frac12; ausweisenden Erbscheins. Dem tritt die Beteiligte zu 1. entgegen. Beide Seiten berufen sich auf die gebotene Auslegung der letztwilligen Verfügung.
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht dem Antrag entsprochen und den Erbschein vom 2.7.2009 als unrichtig eingezogen. Mit anschließender Verfügung hat es die Beteiligte zu 1. aufgefordert, die ihr erteilte Ausfertigung des Erbscheins dem Nachlassgericht zurückzugeben.
Gegen den ihr am 24.9.2010 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1. mit am 25.10.2010 - einem Montag - bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 2. möchte das Rechtsmittel zurückgewiesen sehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakte 56 IV 173/93 AG Neuss Bezug genommen.
II. Das gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2, 353 Abs. 2 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. ist nach der vom Nachlassgericht nunmehr ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 FamFG beim Senat zur Entscheidung angefallen. Es hat auch in der Sache Erfolg. Der Einziehungsantrag der Beteiligten zu 2., der rechtlich eine Verfahrensanregung nach §§ 2361 Abs. 3 BGB, 24 Abs. 1 FamFG darstellt, unterliegt der Zurückweisung (§ 24 Abs. 2 FamFG).
1. Die Beschwerde ist unbeschränkt zulässig.
Zwar ist, wie sich aus § 353 Abs. 2 FamFG ergibt, gegen einen Einziehungsbeschluss die befristete Beschwerde unbeschränkt nur so lange statthaft, wie die Einziehung noch nicht erfolgt ist. Erfolgt ist sie jedoch erst mit der Rückgabe der erteilten Ausfertigung des Erbscheins an das Nachlassgericht - sei es freiwillig, sei es durch Zwangsvollstreckung erzwungen - (Keidel-Zimmermann, FamFG, 16. Aufl. 2009, ...