Leitsatz (amtlich)
Für Streitigkeiten zwischen einem Personalvermittlungsunternehmen ("Personalserviceagentur") und der Bundesagentur für Arbeit und deren Regionalagenturen um die von diesen geschuldeten Vergütungen (Fallpauschalen, Vermittlungsprämien) ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.
Normenkette
GVG §§ 13, 17a; SGB III § 37c
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 02.12.2008; Aktenzeichen 3 O 439/07) |
Tenor
Auf die sofortigen Beschwerden beider Parteien wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 2.12.2008 abgeändert und neu gefasst:
Zur Entscheidung über die Klage vom 19.11.2007 ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig.
Das Verfahren wird zur Entscheidung über die Hauptsache an das LG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 4.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht mit seiner Klage Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagte aus einem am 30.05./25.6.2003 auf der Grundlage des § 37c SGB III geschlossenen "Vertrag über die Einrichtung und den Betrieb einer Personal-Service-Agentur" geltend.
Durch die angefochtene Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das LG den Rechtsweg vor den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
Gegen diese ihren jeweiligen Prozessbevollmächtigten am 10.12.2008 zugestellte Entscheidung wenden sich beide Parteien mit ihren Rechtsmitteln. Sie halten den Zivilrechtsweg nach § 13 GVG für eröffnet, da der Vertrag der Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin privatrechtlicher und nicht öffentlich-rechtlicher Natur sei.
Das LG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO als sofortige Beschwerde statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel, über welches der Senat in seiner vollen Besetzung entscheidet (§ 122 Abs. 1 GVG), hat in der Sache Erfolg. Der vom Kläger zu den ordentlichen Gerichten beschrittene Rechtsweg ist entgegen der Auffassung des LG gem. § 13 GVG zulässig; hingegen ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Sozialrechtssachen verschlossen, weil es im Streitfall an der notwendigen bundesgesetzlichen Rechtswegzuweisung zu dieser besonderen Gerichtsbarkeit fehlt und das streitige Rechtsverhältnis bürgerlich-rechtlicher Natur ist.
1. Das LG ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beurteilung, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers nach der Natur des Rechtsverhältnisses richtet, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313 [Orthopädische Hilfsmittel]; GmS-OGB BGHZ 102, 280 [283]; GmS-OGB BGHZ 108, 284 [286]; BGHZ 119, 93, 95 [Selbstzahler]; BVerwGE 96, 71 [73 f.]; BGHZ 130, 13 [Remailing]; BSG SozR 4-1720 § 17a Nr. 3 [Abrechnungsbetrug]; BSG SozR 3-1720 § 17a Nr. 10 [berufliche Bildungsmaßnahme]). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob sich ein Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtsnormen des öffentlichen Rechts bedient. Zu prüfen ist danach, welche Rechtsnormen den Sachverhalt prägen und für die Beurteilung des Klagebegehrens objektiv herangezogen werden können.
2. Der Kläger stützt seinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihre vertragliche Verpflichtung ggü. der Insolvenzschuldnerin zur Zahlung der vertraglich versprochenen Fallpauschalen und Vermittlungsprämien nicht erfüllt habe. Beruht die Streitigkeit auf einem Vertrag, so kann allerdings allein aus dem damit verbundenen Gleichordnungsverhältnis der Vertragsparteien noch nicht auf eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit geschlossen werden; vielmehr ist auf die Rechtsnatur des Vertrages, also darauf abzustellen, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (GmS-OBG in NJW 1974, 2087; BSG SozR 3-1720 § 17a Nr. 10). Dabei ist für den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einer Privatperson typisch, dass er an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt tritt (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 2 BSG X).
3. Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin war gem. § 37c Abs. 1 S. 2 SGB III die der Insolvenzschuldnerin als Personal-Service-Agentur (im Folgenden: PSA) übertragene Aufgabe, eine Arbeitnehmerüberlassung zur Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit durchzuführen sowie ihre Beschäftigten in verleihfreien Zeiten zu qualifizieren und weiterzubilden. Dieser Vertrag stand damit im Zusammenhang mit der Erfüllung der den Agenturen für Arbeit nach den Vorschriften des SGB III obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Allein aus der gesetzlichen Verpflic...