Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 21.06.2000; Aktenzeichen B 10 – 21210 – U – 25/00)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Bundeskartellamts vom 21.6.2000 (B 10 – 21210 – U – 25/00) aufgehoben.

II. Das Bundeskartellamt hat die im Beschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten zu tragen- es hat zudem den Beteiligten die ihnen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) gehören zur M. Unternehmensgruppe B. KG (vgl. die Übersichten Bl. 116, 721 der Amtsakte) und produzieren und liefern über ihre Tochtergesellschaften ebenso wie die in Belgien ansässige und zur belgischen S.-Gruppe gehörende Beteiligte zu 3) (im folgenden: A.N.V.) Staubsaugerbeutel für die Gerätehersteller (sog. O.) und den Handel. Die Beteiligte zu 4) hält 1 %, die Beteiligte zu 5) 99 % der Geschäftsanteile an der A.N.V. Beide Beteiligten zu 4) und 5) sind Tochtergesellschaften der D.N.V./Niederländische Antillen, die sich im Familienbesitz der Beteiligten zu 6) und 7) befinden (vgl. die Übersicht gem. Anlage 1 des Anmeldeschreibens).

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 28.1.2000 meldete die Beteiligte zu 1 die Gründung eines dem Geimschaftsunternehmens zwischen der Beteiligten zu 2) – oder einer ihrer Tochtergesellschaften – sowie der A.N.V. und der ebenfalls zur belgischen S.-Unternehmensgruppe gehörenden Papierindustrie L.N.V. (nachfolgend: L.N.V.) an, in das die operativen deutschen und europäischen Staubsaugerbeutelaktivitäten (ohne Vertrieb) der Unternehmensgruppen eingebracht werden sollen (wegen der Einzelheiten vgl. die Vereinbarung Bl. 102 ff. der Amtsakte und die Übersicht Anlage 3 zum Anmeldeschreiben).

Mit Schreiben vom 23.5.2000 gab das Bundeskartellamt den Beteiligten die beabsichtigte Untersagung der Fusion bekannt. Im Hinblick hierauf teilten die Zusammenschlussbeteiligten in einem Gespräch am 14.6.2000 dem Bundeskartellamt mit, dass die L.N.V. nicht mehr an der Fusion teilnehmen werde. Dessen ungeachtet untersagte das Bundeskartellamt das Zusammenschlussvorhaben mit Beschluss vom 21.10.2000 dahin, dass das Zusammenschlussvorhaben zwischen der Beteiligten zu 2 bzw. einem ihrer Tochterunternehmen mit der A.N.V., sowie der Erwerb von 20 % der Anteile und den hiermit verbundenen Sonderrechten an dem zu gründenden Gemeinschaftsunternehmen durch die Gesellschafter und/oder Unternehmen der S.-Gruppe zu unterbleiben hätten.

Zur Begründung führte das Bundeskartellamt im Wesentlichen aus: in der Übernahme der Anteile an der A.N.V. liege der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung sowie ein Kontrollerwerb durch die Beteiligte zu 2) i.S.v. § 37 Abs. 1 Nr. 3a, Nr. 2 GWB. Mit dem Erwerb von 20 % an dem Gemeinschaftsunternehmen solle der S.-Gruppe ein wettbewerblich erheblicher Einfluss auf das Gemeinschaftsunternehmen eingeräumt werden, so dass auch der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfüllt sei. Durch den Zusammenschluss werde die marktbeherrschende Stellung der M.-Gruppe i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB sowohl im Inland als auch auf dem ökonomisch relevanten europäischen Markt für die Herstellung und Lieferung von Staubsaugerbeutel verstärkt. Auf dem sachlich relevanten Markt gebe es auf der Anbieterseite (nur) die Staubsaugerbeutelhersteller und auf der Marktgegenseite als Nachfrager die Staubsaugergerätehersteller, den Einzelhandel und die Sortimentsanbleter. Eine Marktunterteilung nach Abnehmergruppen komme allenfalls in Betracht, wenn es nach Absatzwegen differenzierte Marktstrategien der Beutelhersteller gäbe, die sich auf unterschiedliche Verwendungszwecke oder Beschaffenheitsmerkmale der Produkte zurückführen ließe. Daran fehle es hier jedoch. Räumlich relevanter Markt sei mit Blick auf die im Wesentlichen einheitlichen Wettbewerbsbedingungen im ökonomischen Sinne Westeuropa. Nur im fusionskontrollrechtlichen Sinne bleibe es für die räumliche Marktabgrenzung beim inländischen Markt. Auf dem inländischen und auf dem westeuropäischen Markt habe M. indes eine überragende Marktstellung i.S.v. § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB. Bei Zugrundelegung von Marktanteilen auf Wertbasis hätten M. in Deutschland einen Marktanteil von 59,1 % und in Westeuropa von 47,7 % sowie die A.N.V. in Deutschland von 0,4 % und in Westeuropa von 9,1 % (vgl. die Übersicht auf S. 23 des Beschlusses, GA 26). Der M. Konzern verfüge im Vergleich zu seinen wesentlichen Wettbewerbern in Deutschland und in Westeuropa über eine weit überlegene Finanzkraft, überragende Zugangsvoraussetzungen zum Absatzmarkt, eine starke Stellung in den Nachfragersegmenten, starke Marken (S.) und eine herausragende Logistik, sowie ein ausgefeiltes System der Bonus- und Rabattgewährung. Der überragende Verhaltensspielraum von M. könne auch nicht durch potentiellen Wettbewerb hinreichend kontrolliert werden. Die überragende Marktstellung der M.gruppe werde auch nicht durch eine bestehende Nachfragemacht des Handels ausgeschlossen. D...

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