Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehevertragsfreiheit und Betreuungsunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Zur Inhalts (Wirksamkeits- und Ausübungs-)kontrolle von Eheverträgen, insbesondere zur notwendigen Differenzierung zwischen Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt.
Normenkette
BGB §§ 138, 242, 1408, 1570
Verfahrensgang
AG Neuss (Aktenzeichen 46 F 99/06) |
Tenor
1. Der Streitwert wird festgesetzt auf 47.104 EUR
(für das Berufungsverfahren 44.604 EUR
für die Anschlussberufung 25.000 EUR).
2. Zur Vorbereitung des Termins vom 16.8.2007 werden die Parteien auf Folgendes hingewiesen:
Gründe
I. Die Berufung des Antragstellers ist begründet.
Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urt. v. 28.3.2007 - XII ZR 130/04) unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten; das geltende Recht kennt einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht. Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen darf jedoch nicht zu einem beliebigen Unterlaufen des Schutzzweckes der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen führen, was der Fall wäre, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten, auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede, bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belange eines Ehegatten bedürfen um so genauerer Prüfung und die Belastungen des anderen Ehegatten werden dabei um so schwerer wiegen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Die im Übrigen vorzunehmende Rangabstufung bemisst sich vor allem danach, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen vor dem Hintergrund der damaligen gemeinsamen Lebensplanung der Ehegatten für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben (BGH FamRZ 2004, 601 ff.; BGH v. 25.5.2005 - XII ZR 296/01, FamRZ 2005, 1444 ff.).
1. Ob aufgrund einer vom gesetzlichen Scheidungsfolgenrecht abweichenden Vereinbarung eine evident einseitige Lastenverteilung entsteht, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar erscheint, hat der Tatrichter zu prüfen und zwar zunächst - im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle, ob aufgrund der bei Vertragsabschluss vorliegenden Umstände die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung ist auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abzustellen, also insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und die Kinder. Die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Begehren zu entsprechen, sind subjektiv zu berücksichtigen. Eine Schwangerschaft der Frau z.B. kann bei Abschluss des Ehevertrages für sich allein noch keine Sittenwidrigkeit des Vertrages begründen, allerdings eine ungleiche Verhandlungsposition indizieren und damit eine Disparität bei Vertragsabschluss, die es rechtfertigt, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen, wobei in einer Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen sind (BGH, a.a.O., u. v. 5.7.2006 - XII ZR 25/04, FamRZ 2006, 1359 ff.). Allerdings kann das Verdikt der Sittenwidrigkeit auch bei dieser Gesamtschau nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird.
Vorliegend hat das AG nach sorgfältiger Prüfung und unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten hierzu ergangenen neueren Rechtsprechung festgestellt, dass der von den Parteien gut einen Monat vor Eheschließung (31.10.2001) abgeschlossene notarielle Vertr...