Leitsatz (amtlich)
Die Berechnung der Höhe der Barabfindung im Squeeze-out-Verfahren anhand des Barwerts der Ausgleichszahlung, die sich aus einem vorangegangenen, noch bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ergibt, ist in der Regel ungeeignet, den Unternehmenswert zu bestimmen.
Normenkette
AktG §§ 327a, 327b; SpruchG § 6
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 23.03.2011; Aktenzeichen 33 O 127/06 (AktE)) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1., 2. und 3. wird der Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 23.3.2011 wie folgt geändert und neu gefasst:
Die angemessene Barabfindung für eine Inhaberaktie im Nennwert von 100 DM wird auf 697,75 EUR festgesetzt. Im Übrigen, soweit die Anträge sich gegen die Antragstellerin zu 1. richten, werden die Beschwerden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz, die Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller erster und zweiter Instanz trägt die Antragsgegnerin zu 2. Die Antragsgegnerinnen tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin zu 1. verfügte über ein Grundkapital i.H.v. ... DM, aufgeteilt in ... Aktien im Nennwert von 1.000 DM und ... Aktien im Nennwert von 100 DM. Die Antragsgegnerin zu 2. hielt im Juli 2002 98,51 % der Aktien der Antragsgegnerin zu 1. und die Minderheitsaktionäre 224 Aktien im Nennwert von 100 DM (entspricht 1,49 %).
Die Antragsgegnerinnen hatten am 25.5.1983 mit Wirkung zum 1.7.1983 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. In dem Vertrag unterstellte die Antragsgegnerin zu 1. die Leitung ihrer Gesellschaft der Antragsgegnerin zu 2. Die Antragsgegnerin zu 2. ist seither berechtigt, dem Vorstand der Antragsgegnerin zu 1. Weisungen zu erteilen und die Antragsgegnerin zu 1. verpflichtete sich, ihren gesamten Jahresgewinn an die Antragsgegnerin zu 2. abzuführen. In diesem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag hatten sich die Antragsgegnerinnen verpflichtet, den außenstehenden Aktionären eine Abfindung i.H.v. 660 DM (entspricht 337,45 EUR) je Inhaberaktie im Nennwert von 100 DM zu zahlen. Darüber hinaus gewährte der Vertrag für jedes Geschäftsjahr und für jede Aktie im Nennwert von 100 DM eine Zahlung von 8 DM (entspricht 4,09 EUR) abzgl. der gesetzlich einzubehaltenden Kapitalertragssteuer. Der Unternehmensvertrag war für die Dauer von 5 Jahren geschlossen und war dann jährlich kündbar. Die Antragsgegnerin zu 1. hatte ab dem 1.10.1983 ihrerseits auch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der X. geschlossen. Die "X." war dann am 5.6.2000 in die Antragsgegnerin zu. 1. eingegliedert worden. Am 30.6.2002 hatte die Antragsgegnerin zu 1. ihre Anteile an der inzwischen in eine GmbH umgewandelte X. an die Antragsgegnerin zu 2. veräußert.
Am 17.7.2002 beschloss die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1. auf einen Antrag der Antragsgegnerin zu 2., die Aktien der Minderheitsaktionäre der Gesellschaft auf die Hauptaktionärin, die Antragsgegnerin zu 2., gemäß den §§ 327a ff. AktG gegen Zahlung einer Barabfindung zu übertragen (Squeeze-out). Als Barabfindung war eine Barabfindung i.H.v. 337,45 EUR je Aktie im Nennwert von 100 DM, also der Abfindungsbetrag aus dem Unternehmensvertrag von 1983, festgelegt worden.
Der Barabfindungsbetrag war aufgrund eines Übertragungsberichtes der Antragsgegnerin zu 2. sowie eines vom LG Düsseldorf am 17.4.2002 eingesetzten sachverständigen Prüfers, des Y., ermittelt worden. Der Prüfer war davon ausgegangen, dass der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Wert je Aktie im Nennwert von 100 DM zwischen 554 EUR und 608 EUR betrage (Blatt. 50 f. GA). Er hatte hierzu drei verschiedene "Szenarien" gebildet und für die Berechnung Kapitalisierungszinssätze von 6,76 %, 6,435 % und 7,085 % angenommen. Hierbei war er u.a. von einem Basiszinssatz von 6 % und von einem Risikozuschlag von 5 % ausgegangen. Außerdem hatte er einen Immobilitätszuschlag i.H.v. 1 % angesetzt, weil die Aktien der Antragsgegnerin zu 1. nicht mehr gehandelt worden und damit nur schwer zu veräußern gewesen seien. Der auf der Grundlage des Unternehmensvertrages von 1983 angebotene Wert von 337,45 EUR sei noch angemessen. Er hat festgestellt, dass - unter Berücksichtigung der Rechtsansicht, dass zur Wertbestimmung der Barabfindung der Ausgleichsanspruch aus dem nicht gekündigten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag maßgeblich sei - kein grobes Missverhältnis zu der angebotenen Abfindung von 337,45 EUR bestehe. So sei der Barwert der Ausgleichszahlungen mit 68 EUR deutlich geringer. Da der Prüfer keine relevanten Börsenkurse feststellen konnte, wurde der Börsenkurs bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt (Vertragsprüferbericht Bl. 42 ff. GA).
Die Antragsteller haben die angebotene Barabfindung für nicht angemessen gehalten. Sie haben die Auffassung vertreten, dass für die Höhe der Ba...