Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwand der Unverhältnismäßigkeit gem. § 635 Abs. 3 BGB bei optischen Mängeln ohne Funktionsbeeinträchtigung. Anwendung außerhalb des eigentlichen Nacherfüllungsbegehrens auch gegenüber mangelbedingten Schadensersatzansprüchen. Vorsatz des Werkunternehmers
Leitsatz (amtlich)
- Bei Mängeln, die das äußere Erscheinungsbild des gelieferten Werkes betreffen (optische Mängel) und mit denen keine Funktionsbeeinträchtigung einhergeht, ist im Rahmen der für den Unverhältnismäßigkeitseinwand nach § 635 Abs. 3 BGB erforderlichen Gesamtabwägung darauf abzustellen, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des Werkes hat. Je höher dieses Leistungsinteresse des Bestellers an einem auch optisch makellosen Erscheinungsbild des bestellten Werkes ist, umso weniger kann der Werkunternehmer mit seinem Einwand aus § 635 Abs. 3 BGB gehört werden. Berührt der nur geringfügige Schönheitsfehler nur leicht das ästhetische Empfinden des Bestellers, ohne dass in objektivierbarer Form die "Wertschätzung" gegenüber dem Werk beeinträchtigt wird, kann bei erheblichen Mängelbeseitigungsaufwendungen von Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden.
- Die Kriterien, unter denen der Auftragnehmer das Nacherfüllungsbegehren des Auftraggebers unter Berufung auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand gem. § 635 Abs. 3 BGB ablehnen kann, finden auf einen mangelbedingten Schadensersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 4, 636 BGB, der auf Erstattung der Beseitigungskosten gerichtet ist, Anwendung, sowie dann, wenn bei der Bemessung eines mangelbedingten Minderungsbetrages (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB) auf die Kosten zur Mängelbeseitigung zurückgegriffen wird.
- Zur Bedeutung des Verschuldens bei der Gesamtabwägung im Rahmen der Prüfung des Unverhältnismäßigkeitseinwandes. Vorsatz des Werkunternehmers schließt den Unverhältnismäßigkeitseinwand nicht generell aus.
Normenkette
BGB § 635 Abs. 3, § 634 Nr. 4
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 30.01.2014; Aktenzeichen 7 O 34/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 30.1.2014 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Wuppertal - 7 O 34/09 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A) Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
B) Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg (§ 513 S. 1 ZPO). Im Ergebnis bleibt es bei der bereits im Schreiben der Vorsitzenden an die Parteien vom 16.5.2014 zum Ausdruck gekommenen Wertung des Senats, wonach die klageabweisende Entscheidung des LG Bestand hat. Rechtsfehler i.S.d. § 546 ZPO, die sich zu Lasten des Klägers ausgewirkt haben, sind nicht ersichtlich, und ebenso wenig rechtfertigen die vom Senat seiner Entscheidung nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine vom angefochtenen Urteil abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Klägers im Sinne einer mit der Berufung - in leicht reduzierter Form - weiterverfolgten Verurteilung der Beklagten.
Im Einzelnen gilt unter Wiederholung der Ausführungen im Schreiben vom 16.5.2014 und unter Beachtung der weiteren Darlegungen der Parteien in der Berufungsinstanz Folgendes:
I) Das LG hat die Werklohnklage mit der Begründung als unbegründet erachtet, die restliche Werklohnforderung des Klägers für die von ihm durchgeführten Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung der beiden Dachstühle des Bauvorhabens der Beklagten sei in Ermangelung einer ausdrücklichen wie auch konkludenten Abnahme nicht fällig, eine Abnahme sei wegen fehlender Abnahmereife der Werkleistung auch nicht entbehrlich, weil zumindest der gerügte Mangel der unterschiedlichen Firsthöhen der beiden Dachstühle des Alt- und des Neubaus gegeben sei und der Abnahmereife entgegenstehe und darüber hinaus der Kläger im Hinblick auf diesen Mangel sich aus näher dargelegten Gründen nicht auf den von ihm vorgebrachten Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung stützen könne.
II) Der Senat hat in dem gerichtlichen Schreiben vom 16.5.2014 darauf hingewiesen, dass eine Klageabweisung nicht (mehr) mit Blick auf eine fehlende Fälligkeit der Werklohnforderung wegen nicht erfolgter Abnahme und wegen des vom LG bejahten Mangels nicht gegebener Abnahmereife des erbrachten Werkes begründet werden könne. Da die Beklagte durch den von ihr ersichtlich vollumfänglich für die Abwicklung des Bauvorhabens bevollmächtigten Ehemann, den Zeugen M. erklärt hatte, dass eine Neuerrichtung des Daches, die nach den Ausführungen des Sachverständigen P. die einzige Möglichkeit zur Mängelbeseitigung wäre, nicht mehr gewünscht sei und damit schließlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie - die Beklagte - keine weitere Nacherfüllung durch den Kläger wünschte, ist das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in ein Abrechnungsverhältnis umgewa...