Leitsatz (amtlich)
Die Entziehung des Rechts, von der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1, 5 Satz 2 FeV), war vor dem Bekanntwerden der sog. Halbritter-Entscheidung des EuGH vom 6.4.2006 als solche weder eine schuldhafte Amtspflichtverletzung noch ein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 31.08.2007; Aktenzeichen 1 O 26/07) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 31.8.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve (1 O 26/07) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Dem Kläger war seine deutsche Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist verhängt worden. Nach Ablauf der Sperrfrist erwarb er in der tschechischen Republik einen Führerschein. Der beklagte Kreis forderte den Kläger auf, einen Eignungsnachweis in Form eines medizinisch-psychologischen Gutachtens beizubringen. Da der Kläger dem nicht nachkam, erkannte der Beklagte ihm durch Ordnungsverfügung vom 13.12.2005 das Recht ab, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Das Begehren des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz blieb vor den VG ohne Erfolg. Nach Bekanntwerden der sog. Halbritter-Entscheidung des EuGH nahm der Beklagte die Ordnungsverfügung zurück. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und entgangene Gebrauchsvorteile für sein Kfz ersetzt. Sein Begehren blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg
I. Die Berufung ist zwar zulässig. Das gilt entgegen der Auffassung des Beklagten auch hinsichtlich der geforderten Entschädigung wegen entgangener Gebrauchsvorteile.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 13.12.2005 hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Ersatzanspruch des Klägers ausgelöst.
1. Das LG hat zu Recht schon dem Grunde nach einen Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) verneint, dies auch unter Berücksichtigung der von der Berufung in den Vordergrund gestellten europarechtlichen Implikationen.
a) Wie das LG zutreffend festgehalten hat, liegt ein Verschulden des Beklagten bzw. seiner Bediensteten, wie es nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich erforderlich ist, nicht vor. Die Frage, ob die sog. 2. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein) es einem Mitgliedstaat verbot, einer Person mit ordentlichem Wohnsitz in seinem Territorium das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs auf Grund eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins deshalb abzusprechen, weil der Person in dem erstgenannten Staat eine vorher erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden war und sie sich nicht der nach den Rechtsvorschriften desselben Staates für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach dem genannten Entzug erforderlichen Fahreignungsprüfung unterzog, war jedenfalls damals unklar und wurde von namhaften Stimmen mit hörenswerten Argumenten verneint.
Der Richtlinientext selbst gab keine eindeutige Antwort. Vielmehr legte sein Art. 8 Abs. 2 und 4, zudem in Verbindung mit der Betonung der Verkehrssicherheit (z.B. in der 4. und 6. Begründungserwägung sowie Anhang II Ziff. 14), das Verständnis zumindest nahe, dass die Inhaber ausländischer Führerscheine unter denselben Voraussetzungen wie die Inhaber inländischer Fahrerlaubnisse - und damit auch wegen vor Erteilung der jeweiligen Fahrerlaubnis bestehender Mängel (Hentschel-Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 1 StVG Rz. 3 m.w.N.) - die Rechte aus dem ausländischen Führerschein verlieren konnten (so auch OVG NW 13.9.2006 - 16 B 989/06, Rz. 9 - 14). Inzwischen weist übrigens auch Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der sog. 3. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006) auf eine dementsprechende Intention des europäischen Gesetzgebers hin.
Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hatte keine Klärung herbeigeführt. In seinem Urteil vom 29.4.2004 in Sachen K. (NJW 2004, 1725) ging es lediglich darum, ob ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein in dem Sinne anzuerkennen war, dass sein Inhaber nicht dennoch ohne weiteres als einer Fahrerlaubnis entbehrend angesehen werden durfte (konkret: zum Zwecke einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis). Demgegenüber geht es hier darum, ob die Rechte aus der ausländischen Fahrerlaubnis durch aktive behördliche Maßnahmen (§ 46 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 FeV) zum Wegfall gebracht werden können. Zu dieser Frage vertrat nur das OVG Koblenz in seinem Beschluss vom 15.8.2005 (NJW 2005, 3228) die vorläufige Auffassung, dass sie angesichts des K.-Urteils verneint werden müsse. Diese Rechtsmeinung blieb jedoch vereinzelt und wurde schließlich durch den Beschluss des OVG Kobl...