Leitsatz (amtlich)
1. Die Erteilung der Erlaubnis an Kreditkartenunternehmen, die auf das Entgelt für innerdeutsche Reiseleistungen angefallene Umsatzsteuer in ihren Kreditkartenauszügen auszuweisen, bildet einen sachlich eigenen Markt.
2. Es bleibt offen, ob in jenen Angebotsmarkt auch die Gestattung des Umsatzsteuerausweises für reisenahe Leistungen (z.B. Hotelunterbringung, Inanspruchnahme eines Mietwagens oder das Tanken) einzubeziehen ist.
3. Jedes Unternehmen, das umsatzsteuerpflichtige Leistungen an den Kunden einer Reisestellenkarte mit Vorsteuerabzugsmöglichkeit erbringt, besitzt in Bezug auf die von ihm ausgeführten Lieferungen und Leistungen auf dem Gestattungsmarkt eine Alleinstellung und ist infolge dessen marktbeherrschend.
4. Es missbraucht seine marktbeherrschende Stellung, wenn es einem Unternehmen, mit dem es auf dem Markt für den Vertrieb von Reisestellenkarten mit Vorsteuerabzugsmöglichkeit in Wettbewerb steht, die Gestattung des Umsatzsteuerausweises verweigert, sofern die Weigerungshaltung nicht durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt und geeignet ist, jeglichen Wettbewerb durch das betreffende Unternehmen auf den genannten Reistestellenkartenmarkt auszuschalten.
5. Der Marktbeherrscher darf in diesen Fällen eigene Tochtergesellschaften oder verbundene Unternehmen nicht besser (oder anders) behandeln als konzernfremde Unternehmen.
Normenkette
UStG § 14 Abs. 4 Nrn. 2-9; EG Art. 82 Abs. 1; GWB § 33 Abs. 1, 3 S. 1; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 19.05.2006) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.5.2006 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin die Beklagte von sämtlichen Ansprüchen - insbesondere solchen nach § 14c UStG - freizustellen hat, die gegen die Beklagte infolge eines fehlerhaften oder sonst nicht ordnungsgemäßen Umsatzsteuerausweises durch die Klägerin entstehen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Kostenbetrages ab-wenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicher-heit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt ein Kreditkartenunternehmen. Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes bietet sie den Kunden (u.a.) unter der Bezeichnung "Lodge Card" eine Reisestellenkarte mit Vorsteuerabzugsmöglichkeit an. Reisestellenkarten sind Unternehmenskreditkarten, die der bargeldlosen Bezahlung von Flug- oder Bahnreisen dienen. Sie werden bei einem Reisebüro hinterlegt, das sodann über die Karte sämtliche Bahn- und Flugreisen des Unternehmenskunden und seiner Mitarbeiter bucht und bezahlt erhält. Verfügt die Reisestellenkarte - wie die "Lodge Card" - über eine Vorsteuerabzugsmöglichkeit, verschafft sie dem Kunden über den bargeldlosen Zahlungsverkehr hinaus Erleichterungen beim Vorsteuerabzug. Üblicherweise muss das vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen den Vorsteuerbetrag bei der Finanzbehörde unter Vorlage der einzelnen Reiseentgeltrechnung geltend machen, weil nur die Reiserechnung den auf das Reiseentgelt angefallenen Umsatzsteuerbetrag ausweist. Ist der Kreditkartenkunde Nutzer einer Reisestellenkarten mit Vorsteuerabzugsmöglichkeit, kann er demgegenüber den Vorsteuerabzug mit Hilfe des monatlichen Kreditkartenauszugs geltend machen. Denn dieser weist - im Gegensatz zur monatlichen Abrechnung einer normalen Kreditkarte oder einer Reisestellenkarte ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit - auch den auf den Reisepreis erhobenen Umsatzsteuerbetrag aus. Nach den einschlägigen steuerrechtlichen Bestimmungen bedarf das Kreditkartenunternehmen zum Umsatzsteuerausweis allerdings der Erlaubnis des betreffenden Reiseunternehmens. Um zu verhindern, dass ein und derselbe Umsatzsteuerbetrag doppelt - nämlich sowohl im Kreditkartenauszug als auch in der Flugreiserechnung - erscheint, wird die Umsatzsteuer beim Ausdruck der Reiserechnung unterdrückt.
Insbesondere für Unternehmen mit einer großen Anzahl von innerdeutschen Geschäftsreisen erleichtert die beschriebene Abwicklung über die dargestellte Reisestellenkarte den Vorsteuerabzug deutlich. Der monatliche Vorsteuerbetrag kann als Endsumme dem Kreditkartenauszug entnommen werden. Die Vorsteuer kann beim Finanzamt ohne Vorlage der einzelnen Reiseentgeltrechnungen alleine mit dem Kreditkartenauszug geltend gemacht werden. Nur dieser - und nicht auch die einzelnen Reiserechnungen - unterfallen zudem den steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten.
Die Beklagte erbringt Flugdienstleistungen. Sie betreibt über die Tochtergesellschaft "A." außerdem ein Kreditkartenunternehmen, das seinen Kunden auch Reisestellenkarten mit...