Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtspflichtverletzung
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 13.06.1973; Aktenzeichen 2 O 46/73) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 1973 geändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 765,46 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1972 zu zahlen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das beklagte Land darf jedoch die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 1.100 DM – abwenden. Die Sicherheit kann auch in der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer im Bundesgebiet ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse bestehen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Am 30. Juni 1972 wurde ein Bediensteter der Klägerin, Rudolf S., durch Verschulden eines Polizeibeamten verletzt. S. war etwa zwei Wochen körperlich arbeitsunfähig. Die Klägerin zahlte in dieser Zeit an ihn und den Sozialversicherungsträger nach den Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFG) 765,46 DM. Mit der Klage nimmt sie Rückgriff gegen den Dienstherrn des Beamten. Sie hat beantragt,
das beklagte Land zur Zahlung von 765,46 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1972 zu verurteilen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Anspruch des Verletzten, Lohnfortzahlung nach dem LFG zu verlangen, stelle eine anderweite Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dar, durch die ein Anspruch aus § 839 BGB, Art. 34 GG von vornherein ausgeschlossen werde und demzufolge auch nicht nach § 4 LFG auf die Klägerin habe übergehen können.
Gegen dieses Urteil, auf das im übrigen Bezug genommen wird, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie kritisiert die Rechtsauffassung des Landgerichts und beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und dem Klageantrag stattzugeben.
Das beklagte Land beantragt
Zurückweisung der Berufung
und tritt der Rechtsansicht des Landgerichts bei.
Wegen des Parteivorbringens im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet.
I.
Es ist nicht umstritten, daß der Polizeibeamte in Ausübung seiner Amtspflichten den Bediensteten der Klägerin schuldhaft, und zwar leicht fahrlässig verletzt hat und daß das beklagte Land als Dienstherr des Beamten grundsätzlich nach § 839 BGB, Art. 34 GG ersatzpflichtig ist. Es ist ferner außer Streit, daß der verletzte Arbeiter nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFG) Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen die Klägerin gehabt hat und daß diese den Anspruch durch Zahlung des eingeklagten Betrages befriedigt hat sowie daß damit etwaige Ersatzansprüche gegen den Schädiger nach § 4 LFG auf die Klägerin übergegangen sind.
II.
Die Parteien sind nur in der Rechtsfrage uneins, ob das beklagte Land gegenüber der Klägerin geltend zu machen berechtigt ist, der Anspruch des Geschädigten auf Lohnfortzahlung stelle eine anderweite Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dar, mit der Rechtsfolge, daß eine Schadensersatzpflicht des Landes nicht bestehe.
1. Diese Frage ist, soweit ersichtlich, bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Das Landgericht ist der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg (NJW 1972, 689) und des erkennenden Senats (Urteil vom 22. Juni 1972 – 18 U 4/72, unveröffentlicht; über die in dieser Sache eingelegte Revision ist noch nicht entschieden) gefolgt und hat die Lohnfortzahlung als eine anderweite Ersatzmöglichkeit angesehen, die im Falle leicht fahrlässiger Amtspflichtverletzung die Haftung der öffentlichen Hand ausschließt.
2. Der Senat folgt nach erneuter Prüfung der entgegengesetzten Rechtsauffassung.
a) Es ist nicht zu verkennen, daß für die von dem angefochtenen Urteil vertretene Ansicht einige gewichtige Gesichtspunkte angeführt werden können. So ist der Hinweis bedeutsam, daß die Rechtsprechung seit jeher dem Rechtsgrund für die anderweite Ersatzleistung kaum eine Bedeutung beigemessen hat, daß sie insbesondere Leistungen Dritter, die keine Verantwortung für den Schaden trifft, als anderweiten Ersatz angesehen hat, daß sie überhaupt die Subsidiaritätsklausel stets weit ausgelegt und jede Möglichkeit des Verletzten, sich schadlos zu halten, hat ausreichen lassen, den Staat von der Haftung für leicht fahrlässig durch seine Amtsträger angerichteten Schaden freizusprechen. Insbesondere hat die Rechtsprechung auch Leistungen des Sozialversicherers als anderweite Ersatzmöglichkeiten behandelt. Für die vom Landgericht vertretene Auffassung spricht ohne Zweifel, daß das Lohnfortzahlungsgesetz, unter der Gestalt des arbeitsvertraglichen Lohnanspruchs, eine soziale Verpflichtung des Arbeitgebers normiert hat und daß der Lohnfortzahlungsanspruch an die Stelle des früher bestehenden Anspruchs des erkrankten Arbeitnehmers gegen den Sozialversicherer getreten ist. Unter diesen Umständen ist es offenbar, daß eine unterschiedliche Behandlung des Lohnfortzah...