Leitsatz (amtlich)
1. Zur Feststellung der erkannten Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist es ausreichend, dass der Anfechtungsgegner genügend Umstände kannte, die den zwingenden Schluss auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin zulassen, § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO.
2. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung des Schuldners, zahlungsunfähig zu sein, kommt es auch bei dem zu bewertenden Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern darauf an, ob die gesamten Umstände ein solches Gewicht erreichen, das einer Erklärung des Schuldners gleichsteht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können.
3. Bezieht sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners gegenüber einem Sozialversicherungsträger auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.
4. Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO ist der Abschluss der Zahlungsvereinbarung oder die Gewährung der Zahlungserleichterung, Vermutungsfolge die Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Handlung. Um die Vermutung zu widerlegen, kann sich der Insolvenzverwalter auf sämtliche Umstände berufen mit Ausnahme der den Vermutungstatbestand bildenden Umstände.
Normenkette
InsO § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1-2, 3 Sätze 1-2, Abs. 17, § 143 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 13 O 123/22) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 07.06.2023 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (13 O 123/22) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D-GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) anfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche in Bezug auf Zahlungen in der Zeit vom 23.10.2013 bis zum 17.07.2017 in Höhe von insgesamt 165.823,59 EUR gegen die Beklagte als Krankenversicherung früherer Mitarbeiter der Schuldnerin geltend.
Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war die Erbringung von Transport- und Speditionsleistungen. Sie wurde am 14.02.2013 in das Handelsregister eingetragen. Auf die Anträge von anderen Krankenkassen vom 17.10., 11.12. und 21.12.2017 sowie vom 23.02.2018 eröffnete das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 09.04.2018 (72 IN 447/17) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Die Schuldnerin führte seit Januar 2013 bei der Beklagten ein Beitragskonto für mehrere ihrer Mitarbeiter. Dieses wurde von Anbeginn an und ohne Unterbrechung bis zur Beendigung der Geschäftsbeziehung debitorisch geführt. Bereits die ersten drei Monatsbeiträge zahlte die Schuldnerin zunächst nicht. Ab April 2013 leistete die Schuldnerin in unregelmäßigen Abständen immer wieder Beitragszahlungen in unterschiedlicher Höhe, oftmals in Form von Teilzahlungen. Das führte dazu, dass in der Zeit von April 2013 bis September 2017 die am Ende eines jeweiligen Monats offenen Forderungen der Beklagten gegen die Schuldnerin zwischen 5.220,40 EUR (Ende Februar 2015, höchster offener Betrag) und 1.666,56 EUR (Ende August 2016, niedrigster offener Betrag) betrugen. Wegen der Einzelheiten der monatlich von der Schuldnerin geschuldeten, von ihr teilweise freiwillig und teilweise - mindestens in Höhe von 93.519,26 EUR - aufgrund von Pfändungs- und Überweisungsverfügungen der Beklagten geleisteten Beiträge sowie der gegen Ende eines jeweiligen Monats aus Sicht der Beklagten noch offenen Salden wird auf die Buchungsübersicht der Beklagten (Bl. 68 ff. GA-LG) verwiesen. Wegen der Entwicklung des Beitragskontos in der Zeit von Januar 2013 bis Februar 2014 wird ergänzend auf die Übersicht des Klägers in der Berufungsbegründung (Bl. 118 f. GA-OLG) verwiesen. Insgesamt erhielt die Beklagte von dem (einzigen) Geschäftskonto der Schuldnerin bei der T-Bank Überweisungen wegen fälliger Beitragsverbindlichkeiten in der Zeit vom 01.07.2013 bis zum 17.07.2017 in Höhe von 176.640,09 EUR, die ursprünglich Gegenstand der Klage waren. Wegen der im Einzelnen geleisteten Beträge und des jeweiligen Zahlungsdatums wird auf die Klageschrift, Bl. 51 ff. GA-LG, verwiesen.
Die Beklagte leitete jedenfalls spätestens dann Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein, wenn die Schuldnerin mit zwei Beitragszeiträumen im Rückstand war. Zwischen dem 04.06.2013 und dem 21.04.2016 erließ die Beklagte gegenüber der T-Bank zehn Pfändungs- und Überweisungsverfü...