Leitsatz (amtlich)
1. Ist auf Grund eines im Vorprozess ergangenen Urteils rechtskräftig festgestellt, dass der Mieter dem Vermieter für alle schadensrechtlichen Folgen eines Brandereignisses einschränkungslos haftet, ist jener nicht mit dem Einwand ausgeschlossen, der Vermieter könne nicht die Kosten der Wiederherstellung des Grundstücks (Reparaturkosten), sondern nur den geringeren Zeitwert des Grundstücks ersetzt verlangen.
2. Der Herstellungsaufwand ist nicht um einen Wertzuwachs "neu für alt" zu kürzen, wenn sich der Geschädigte an dem Wertzuwachs nicht bereichern würde.
3. Ob dem Geschädigten die Wiederherstellung eines beschädigten Grundstücks dann aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, wenn er es im beschädigten Zustand veräußert, bleibt offen.
4. Der für die Restitution erforderliche Aufwand ist unangemessen, wenn er den Verkehrswert des Grundstücks um mehr als das Doppelte, nämlich ca. 135 % übersteigt.
Normenkette
BGB §§ 535, 249, 251; ZPO § 256
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 12.06.2009; Aktenzeichen 17 O 58/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.6.2009 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Wuppertal zu Ziff. 1 des Tenors und hinsichtlich der Kostenentscheidung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die gegen die Beklagte gerichtete Klage wird, soweit sie nicht hinsichtlich eines Teilbetrags von 337.520,67 EUR nebst Zinsen in der Hauptsache erledigt ist, abgewiesen.
II. Die Gerichtskosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin, soweit über sie nicht bereits durch Urteil vom 11.5.2010 (I-24 U 46/10 OLG Düsseldorf) entschieden worden ist. Die Klägerin trägt ferner die außergerichtlichen Kosten der Beklagten, ihre eigenen notwendigen Auslagen, soweit über sie nicht bereits durch Urteil vom 11.5.2010 (I-24 U 46/10 OLG Düsseldorf) entschieden worden ist, und die Kosten des zweiten Rechtszuges.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte zu 1) leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.
Gründe
A. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (künftig nur: Klägerin) war Eigentümerin des um das Jahr 1900 mit einem mehrgeschossigen, voll unterkellerten Baukörper bebauten Grundstücks W. Str. 1 in R.. Das ursprünglich als Mädchenpensionat genutzte Gebäude war gegen Feuersgefahr bei der Rechtsvorgängerin der früheren Zweitbeklagten (künftig: Feuerversicherer) versichert. Mit Vertrag vom 28.2.1989 hatte die Klägerin das Grundstück erstmals an die früher erstbeklagte Stadt (jetzt noch einzige Beklagte) vermietet. Sie hatte dort nach umfangreichen, den Grundstückswert um rund 410.000 EUR erhöhenden Umbauarbeiten, die sie mit Zustimmung der Klägerin auf eigene Kosten durchgeführt hatte, eine Unterkunft für Aus- und Übersiedler betrieben (vgl. Beiakten 17 O 224/03 LG Wuppertal). Mit Anschlussvertrag vom 18.9.1997 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 17.9.2001 vermietete die Klägerin das Grundstück zum Jahresmietzins von 180.000 DM (92.032,54 EUR) mit Wirkung ab 1.1.1998 und befristet bis zum 31.12.2012 erneut - jetzt zu beliebigen Verwendungszwecken - an die Beklagte, die dort aber unverändert ein Aus- und Übersiedlerwohnheim betrieb. Mit notariellen Kaufvertrag vom 17.9.2001 veräußerte die Klägerin das Grundstück zum Preis von 1,2 Mio DM [613.550,26 EUR] an A. (künftig: Erwerber), dem es mit der Fälligkeit des Kaufpreises (frühestens) am 2.1.2002 übergeben werden sollte.
Am Abend des 1.1.2002 wurde das Gebäude infolge eines durch eingewiesene Heimbewohner schuldhaft verursachten Brandes erheblich beschädigt. Die Klägerin ließ die beiden oberen durch Feuereinwirkung zerstörten Geschosse des Hauptflügels und das oberste Geschoss des Nebenflügels (jeweils nebst Spitzboden) abreißen und neu errichten. Den vereinbarten Kaufpreis zahlte der am 6.1.2003 im Grundbuch eingetragene Erwerber am 1.8.2003, nämlich unverzüglich nach der Übergabe des Gebäudes, dessen im Januar 2002 begonnene Wiederherstellung erst zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen werden konnte.
Im Vorprozess (17 O 224/03 LG Wuppertal; künftig: Vorprozess) hat das LG durch rechtskräftiges Urteil vom 13.5.2004 festgestellt, die Beklagte sei "verpflichtet ..., der Klägerin allen Schaden zu ersetzten, der [ihr] durch den Brand ... vom 1.1.2002 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit nicht Anspruchsübergänge auf Schadensversicherer durchgreifen". Der Feuerversicherer hatte Unterversicherung eingewendet und außergerichtlich nur 1.077.277,69 EUR (!Syntaxfehler,) EUR - 337.520,67 EUR) reguliert; davon entfielen 77.325 EUR auf die Deckung der Aufräum- und Teilabrisskosten sowie 999.952,69 EUR auf die Deckung der Gebäudeschäden.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Beklagte und den Feuerversicherer wie Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 337.520,67 EUR (nebst Zinsen) und die Beklagte auf Zahlung weiteren Schadensersatzes i.H.v. 191...