Leitsatz (amtlich)
1. Die Instruktionspflicht verpflichtet den Hersteller eines Produkts im Rahmen von § 3 Abs. 1 ProdHaftG, vor denjenigen Gefahren zu warnen, die bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch oder naheliegenden Fehlgebrauch drohen und nicht zum allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises gehören, wobei sich die Anforderungen im Einzelnen nach den gefährdeten Rechtsgütern und der Größe der Gefahr richten. Ein bei der Beurteilung von Pflichten aus dem ProdHaftG heranzuziehender Umstand sind die mit einem Produkt einhergehenden Gefahren, welche schon in der Natur der Sache liegen oder allgemein bekannt bzw. offenkundig sind. Die Grenze der Instruktionspflicht ist bei einem - nach den objektiven Umständen - leichtfertigen Umgang des Verbrauchers mit dem Produkt bzw. den ihm beigefügten Instruktionen erreicht.
2. Das Symbol (Piktogramm) einer durchgestrichenen Schaukel an einem Haken verbietet für die angesprochenen Verkehrskreise - auch ohne zusätzlichen Erläuterungstext - hinreichend deutlich das Aufhängen eines sog. Hängesessels mit diesem Haken, denn ein solches Piktogramm ist allgemein dahin zu verstehen, dass der Deckenhaken ungeeignet ist für alle Lasten, die nicht statisch (z.B. Blumenampel), sondern dynamisch durch menschliche Kräfte des jeweiligen Benutzers der im Piktogramm beispielhaft abgebildeten Schaukel auf den Deckenhaken einwirken.
3. Bei Wiedergabe einer Vielzahl von theoretisch möglichen Nutzungsarten auf der Produktfahne, die mit einer dynamischen Belastung verbunden sein können, würden die Warn- und Hinweisfunktion des Symbolhaften aufgrund der dann fehlenden Übersichtlichkeit bzw. Überfrachtung verloren gehen.
4. DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern "private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter" und unterfallen daher nicht dem Grundsatz, dass das Gericht das Recht von Amts wegen zu ermitteln und anzuwenden hat, sondern den allgemeinen Regeln der Darlegungslast.
5. Ursächlich ist die Verletzung der Hinweis- bzw. Instruktionspflicht nur, wenn pflichtgemäßes Handeln den eingetretenen Schaden mit Sicherheit verhindert hätte; eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt insoweit nicht. Hierfür trägt grundsätzlich der Geschädigte gemäß § 1 Abs. 4 ProdHaftG die Darlegungs- bzw. Beweislast.
6. Für die Beachtung einer hinreichend deutlichen Gefahrenwarnung spricht nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung, wenn nicht die unstreitig festgestellten und vom Kläger selbst vorgetragenen Umstände im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für das Gegenteil sprechen.
7. Die Kausalität fehlerhafter Instruktionen kann zu verneinen sein, wenn der Geschädigte bereits anderweitig über Produktgefahren belehrt worden war, die Hinweise aber (auch) nicht beachtet hatte.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 01.02.2016; Aktenzeichen 14e O 137/14)) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 14e Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 01.02.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.
Das erstinstanzliche Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht wegen eines Sturzes vom 30.6.2011 mit einem Hängesessel mit der Behauptung eines im Sinne des ProdHG fehlerhaften Deckenhakens gegen die Beklagte zu 1. (Produktvertrieb) und die Beklagte zu 2. (Zwischenhändlerin bzw. Herstellerin, insoweit streitig) als Gesamtschuldner Ansprüche auf Schmerzensgeld, Schadensersatz nebst Verzugszinsen, Feststellung der weiter gehenden Ersatzpflicht sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme über die Umstände des Erwerbs der Haken und dessen Ausrüstung mit einer Produktfahne bzw. deren Inhalt, die Umstände der Anbringung des Hakens sowie den Unfallhergang (192/259/319 ff. GA) sowie informatorischer Anhörung der Klägerin (270 GA) abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen die Beklagten gem. § 1 Abs. 1 ProdHaftG, denn eine Fehlerhaftigkeit des Deckenhakens im Sinne des § 3 Abs. 1a bis c ProdHaftG i.V.m. den diesbezüglichen Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. im Einzelnen Seite 8/9 des Urteils, dort zu 2. a.) lasse sich nicht feststellen. Die Klägerin habe vorliegend den Deckenhaken trotz ausreichender Kennzeichnung bestimmungswidrig verwandt, da er für die Aufhängung eines Hängesessels erkennbar nicht geeignet gewesen sei. Es liege weder ein für den Schaden ursächlicher Materialfehler noch ein für den Schaden ursächlicher ...