Leitsatz (amtlich)
Weder der Vermieter noch der von dem Mietinteressenten beauftragte Makler ist verpflichtet, vor Abschluss eines Mietvertrages über Gewerberäume zum Betrieb eines Friseursalons ungefragt darauf hinzuweisen, dass in anderen Räumen desselben Gebäudes in der Vergangenheit ein Bordell betrieben worden ist.
Normenkette
BGB §§ 123, 654
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 23.10.2015) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 23.10.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die durch das Versäumnisurteil vom 20.03.2015 entstandenen Gerichtskosten niedergeschlagen werden.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die von der Beklagten erklärte Anfechtung des Mietvertrages führt nicht dazu, dass dieser gemäß § 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, weil - auch wenn man den Vortrag der Beklagten, ihr sei vor Vertragsschluss nicht gesagt worden, dass in dem Mietobjekt zuvor ein "Rotlichtgeschäft" betrieben worden ist, zugrundelegt - nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte zur Abgabe ihrer auf den Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, § 123 Abs. 1 BGB.
Da im vorliegenden Fall eine Täuschung nicht durch positive Vorspiegelung falscher Tatsachen, sondern nur durch Verschweigen in Betracht kommt, wäre erforderlich gewesen, dass hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht bestanden hat. Dies kann jedoch nicht angenommen werden.
Grundsätzlich bestehen vor Abschluss eines Mietvertrages, auch bei der Geschäftsraummiete, keine Aufklärungspflichten, denn beiden Vertragspartnern obliegt es selbst, ihre Interessen wahrzunehmen, so dass sie sich eigenständig die notwendigen Informationen für die Entscheidung beschaffen müssen, ob die Eingehung des Vertrages für sie vorteilhaft ist oder nicht. Ausnahmsweise besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2009, 1101; NJW 2006, 2618) eine vorvertragliche Aufklärungspflicht hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Mietsache, die von besonderer Bedeutung für den Entschluss der anderen Vertragspartei zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann (vgl. Münch in juris PK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 535 Rn. 237). Eine allgemeine Aufklärungspflicht erfordert jedoch in der Regel ein Wissensgefälle, das heißt, dass die aufklärungsbedürftige Partei selbst keine aussichtsreichen Möglichkeiten hat oder aufgrund mangelnder Anhaltspunkte oder Unerfahrenheit keinen Anlass sehen muss, sich über die konkreten Umstände durch Nachfrage Klarheit zu verschaffen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, ob den Vermieter - vom Fall der ausdrücklichen Fragestellung des Mieters abgesehen - hinsichtlich der Beschaffenheit und Lage der Mietsache sowie ihrer Einbindung in die Umwelt Aufklärungspflichten über bestimmte Eigenschaften treffen, soweit diese die Verwertbarkeit bzw. Nutzbarkeit der Mietsache beeinträchtigen können, auch wenn sie keinen Mangel begründen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Mieter Anlass hatte, hinsichtlich der konkreten Umstände beim Vermieter nachzufragen, wenn er nicht selbst aufgrund der örtlichen Gegebenheiten eigene Recherchen hätte anstellen können und müssen. Ungefragt ist ein Vermieter in der Regel nicht verpflichtet, den Mieter über frühere Mieter des Mietobjektes zu informieren (OLG Düsseldorf, OLG Report 2006, 223; Ehlert in Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand 01.05.2014, § 535 Rn. 199c m.w.Nachw.).
Unter Berücksichtigung vorgenannter Grundsätze ist im vorliegenden Fall folgendes festzustellen:
Der bordellartige Betrieb in dem Objekt ist auch nach dem Vortrag der Beklagten seit mindestens einem halben Jahr vor Mietbeginn eingestellt gewesen. Es geht ausschließlich um die Nachwirkungen, die ein früher betriebenes Bordell auf den Friseurbetrieb, den die Beklagte in anderen Räumen des angemieteten Objekts betreiben wollte, hätte haben können und wegen derer eine eventuelle Aufklärungspflicht anzunehmen wäre (vergleiche BGH NJW 1992, 2564 zur früheren Nutzung als Stundenhotel sowie den vom OLG Hamm NJW-RR 2000, 1183 zu einer vorherigen Nutzung eines Wohnhauses als bordellähnlicher Swinger-Club entschiedenen Fall). Insofern stellt die Beklagte allein auf den Ruf des Hauses und nicht etwa auf Beeinträchtigungen durch dort immer noch vorstellig werdende Interessenten an dem Club ab. In Bezug auf das "Ansehen" des Mietobjektes ist dessen eher unterdurchschnittliche Lage hinter dem Hauptbahnhof im Stadtteil P zu berücksichtigen. Die Lage spiegelt sich auch im vertraglich vereinbarten Mietzins, der für Gewerberäume mit etwa 10,- EUR pro Quadratmeter im unteren Segment liegt, wieder. Insofern konnte die Beklagte nicht erwarten, dass die Adresse "X Straße" ein besonderes Ansehen ausstrahlen würde.
Desweiteren ist...