Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung und rechtliche Auswirkungen einer Hinterlegungsregelung in Bürgschaftserklärung; Bestimmung des Umfangs der zu sichernden Hauptforderung
Leitsatz (amtlich)
Eine Klausel, nach der der Bürge das Recht hat, sich von seiner Verpflichtung durch Hinterlegung zu befreien, ist dahin auszulegen, dass mit der Hinterlegung der Bürgschaftssumme zugunsten des Gläubigers nicht für die Bürgschaftsforderung, von der sich die Bürgin befreien will, sondern für den Anspruch der Gläubigerin gegen den Hauptschuldner Sicherheit geleistet werden soll. Wird von dem Bürgen hinterlegt, sichert das Pfandrecht an seiner Rückerstattungsforderung nach § 233 BGB nicht den Bürgschaftsanspruch, sondern die bisher verbürgte Forderung gegen den Hauptschuldner. Als Pfandgläubiger kann der Gläubiger die Rückerstattungsforderung des Bürgen gegen die Hinterlegungsstelle gem. §§ 1257, 1273, 1279, 1282 Abs. 1 BGB einziehen, wenn die Pfandreife (§ 1228 Abs. 2 BGB) ggü. dem Hauptschuldner eingetreten ist. Der Gläubiger kann deshalb gem. §§ 1257, 1273, 1279, 1282 Abs. 2 2. Halbs., 1210, 1211 BGB von dem hinterlegenden Bürgen als Sicherungsgeber (Verpfänder) die Duldung der Einziehung der mit dem Pfandrecht belasteten Forderung oder, was dem gleichsteht, die Zustimmung zur Auskehrung des hinterlegten Betrages verlangen.
Der Bürge muss seine Erklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie aus der Sicht des Gläubigers mit Rücksicht auf die ihm erkennbaren Umstände aufzufassen ist. Maßgeblich für den objektiven Erklärungswert ist in erster Linie der Wortlaut der Bürgschaftsurkunde. Begleitumstände können in die Auslegung einbezogen werden, soweit sie für den Gläubiger einen Schluss auf den Sinngehalt der Bürgschaftserklärung zulassen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 16.04.2002; Aktenzeichen 36 O 128/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 6 Kammer für Handelssachen vom 16.4.2002 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Bürgschaftsurkunde vom 9.3.2000 in Anspruch, in der sich die Beklagte für die „Ansprüche aus Anzahlung Be- und Entlüftung, O. AG” gegen die Firma A. GmbH (im folgenden kurz Firma A.) bis zum Höchstbetrag von 48.930,83 Euro verbürgte. Hintergrund der Abgabe der Bürgschaft bildete die zwischen der Klägerin und der Firma A. auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung vom 23.11.1999 bestehende Arbeitsgemeinschaft „A.”, durch die gemeinschaftlich Projekte abgewickelt wurden. Aufgabe der Firma A., über die zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, war die Akquisition und Planung der Arbeiten, während der Klägerin die Durchführung der Arbeiten oblag. Zwischen der Klägerin und der Firma A. wurde vereinbart, dass letztgenannte aus dem Auftrag der Firma W. GmbH, einem Tochterunternehmen der O. AG, einen nach einem Verteilungsschlüssel errechneten Anteil erhalten sollte. Einen Teilbetrag von 48.930,83 Euro zahlte die Klägerin an die Firma A. im Voraus.
Unter Hinweis auf von der Firma A. im Rahmen der Abwicklung des Auftrages der Firma W. nicht – bzw. unzureichend – erbrachte Leistungen verlangte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 25.4.2000 von der Beklagten mit Fristsetzung die Erklärung, ob sie die Bürgschaftssumme zahlen oder diesen Betrag hinterlegen wolle. Mit Schreiben vom 16.4.2000 verwies die Beklagte auf ihre nach der Bürgschaftsurkunde bestehende Berechtigung zur Hinterlegung und kündigte diese nach Zusendung der Originalbürgschaft an. Die Klägerin übersandte der Beklagten die Originalbürgschaftsurkunde. Die Beklagte hinterlegte die Bürgschaftssumme entgegen ihrer Ankündigung nicht.
Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit erstinstanzlich zunächst die Zahlung der Bürgschaftssumme begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Bürgschaft hätte angesichts der wirtschaftlichen Situation der Firma A. die Erfüllung der mit der Anzahlung bezahlten vertraglichen Leistungen gesichert werden sollen. Da die Firma A. ihre Leistungen nicht erbracht habe, insb. die notwendigen Planungsunterlagen nicht beigebracht habe, stünde ihr die Vorauszahlung nicht zu.
Auf Erörterung der Sach- und Rechtslage im erstinstanzlichen Verhandlungstermin hat die Klägerin ihren ursprünglichen Zahlungsantrag auf Hinterlegung umgestellt und nur hilfsweise die Zahlung des Bürgschaftsbetrages nebst Zinsen beantragt.
Die Beklagte wehrt sich gegen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft mit dem Argument, der Bürgschaftsfall sei nicht eingetreten.
Das LG hat die Beklagte entspr. dem Hauptantrag verurteilt. Der Anspruch auf Hinterlegung folge aus dem Schreiben vom 26.4.2000.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Klageabweisung weiterverfolgt. Die Beklagte trägt vor:
Die Klägerin habe keinen Anspruch ...