Leitsatz (amtlich)
1. Kommt es bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung durch missverständlichen Vortrag des Rechtsanwalts zur Beiordnung des "falschen" Sozietätsmitglieds, so haben die Rechtsanwälte die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu vertreten, wenn dem "richtigen" Sozius die Sache nicht rechtzeitig vorgelegt wird.
2. Zu den Pflichten des Rechtsanwalts bei höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Rechtsfragen (hier: unterschiedliche Behandlung von Renten im Anwarts- und Leistungsstadium - BGH v. 20.7.2005 - XII ZB 209/03, MDR 2006, 93 = BGHReport 2005, 1529 = NJW-RR 2005, 1452).
3. Vor Eintritt des Versorgungsfalls entsteht dem Mandanten noch kein bezifferbarer Rentenschaden; es ist vielmehr nur ein entsprechender Feststellungsausspruch möglich.
Normenkette
BGB §§ 280, 675, 1587a Abs. 1; VAHRG § 10a; ZPO §§ 233-234
Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 24.08.2005; Aktenzeichen 2 O 518/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.8.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Krefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der auf der Nichteinlegung einer fristgerechten Beschwerde beim OLG Düsseldorf und dem Verstreichenlassen der Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch in dem Verfahren II-4 UF 20/04 beruht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 38.454,38 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die beklagten Rechtsanwälte wegen fehlerhafter Sachbehandlung anlässlich ihrer Vertretung in einem Ehescheidungsverfahren - in der Folgesache Versorgungsausgleich - in Anspruch.
Die am ...1951 geborene Klägerin und der am ...1949 geborene D.K. (nachfolgend Ehemann genannt) schlossen am 5.4.1974 die Ehe miteinander. Nach Trennung am 1.7.2001 wurde der Scheidungsantrag des Ehemannes am 6.8.2002 der Klägerin zugestellt. Die Ehe ist durch Urteil des AG Krefeld vom 4.8.2003, rechtskräftig seit diesem Tage, geschieden.
Im Scheidungstermin am 4.8.2003 schlossen die Eheleute einen Teilvergleich, in dem sie hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bestimmten, dass die Ansprüche der Ehefrau aus der kirchlichen Zusatzversorgung beim Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt werden sollten. Das AG trennte hierauf das Versorgungsausgleichsverfahren aus dem Verbund ab.
Die Parteien des Scheidungsverfahrens hatten in der Ehezeit (ohne die genannten Anrechte der Ehefrau aus der kirchlichen Zusatzversorgung) folgende Anwartschaften erworben:
Ehemann:
I. BfA: 1.170,62 EUR
II. Rheinische Zusatzversorgungskasse: 498,89 EUR
unverfallbare Anwartschaft monatlich Ehefrau:
III. BfA: 307,20 EUR.
Mit Beschluss vom 22.12.2003 führte das AG Krefeld den Versorgungsausgleich durch, indem es im Wege des Splittings 431,71 EUR Rentenanwartschaften auf das Rentenkonto der Ehefrau übertrug sowie im Wege des Quasi-Splittings 76,74 EUR Rentenanwartschaften auf dem Rentenkonto der Ehefrau begründete.
Dieser Beschluss wurde den Beklagten am 2.1.2004 zugestellt. Mit am 26.1.2004 bei dem OLG eingegangenem Antrag suchten die Beklagten für die Klägerin um Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss nach. Dem PKH-Antrag waren ein Rechtsmittelentwurf und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei beigefügt. In dem Beschwerdeentwurf wandte sich die Klägerin gegen die Behandlung der Zusatzversorgung des Ehemannes als auch im Leistungsstadium statisch. Die Antragschrift war von dem Zweitbeklagten unterzeichnet und auf Beiordnung des "Unterzeichneten" gerichtet. Als Sachbearbeiter war eingangs der Antragsschrift der Erstbeklagte ("RA H. sen.") vermerkt.
Mit Verfügung vom 16.2.2004 wies der Berichterstatter des 4. Familiensenats darauf hin, dass die genannte Anwartschaft nach Rechtsprechung und Kommentarliteratur als statisch zu behandeln sei. Nach Gegenvorstellung der Klägerin gegen diese Verfügung bewilligte der 4. Familiensenat ihr mit Beschluss vom 10.3.2004, zugestellt spätestens am 16.4.2004, uneingeschränkt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H.
Erst mit Schriftsatz vom 11.6.2004, eingegangen bei dem OLG am 14.6.2004, suchte die Klägerin sodann um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Rechtsmittelfrist nach und legte zugleich Beschwerde gegen den Beschluss des AG Krefeld vom 22.12.2003 ein. Mit Beschluss vom 1.7.2004 wies der 4. Familiensenat die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist und der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zurück und verwarf zugle...