Leitsatz (amtlich)

1. Ein Steuerberater haftet nur dann aus positiver Vertragsverletzung, wenn der dem Mandanten entstandene Nachteil auf eine Verletzung von Vertragspflichten rückführbar ist; Pflichtverletzungen, die den Schaden nicht herbeigeführt haben, erfüllen den Haftungstatbestand nicht.

2. Hat der Auftraggeber durch eigenes Verhalten einen Steuertatbestand herbeigeführt, so kann er die ihm daraus erwachsenen Nachteile seinem steuerlichen Berater nicht allein aufgrund der vertragsrechtlichen Beziehung überbürgen; dieser haftet vielmehr erst dann, wenn er das selbstschädigende Verhalten seines Mandanten hätte erkennen und verhindern müssen. Dies gilt auch in den Fällen einer verdeckten Gewinnausschüttung.

3. Der Auftraggeber genügt seiner Obliegenheit zum Nachweis eines Schadens nicht bereits dadurch, dass er einen einzelnen ihm entstandenen Vermögensnachteil herausgreift und hieraus seinen Schaden ableitet; er hat vielmehr in die von ihm vorzunehmende Vergleichsrechnung alle – auch ihm günstige – Umstände einzustellen, die auf der Pflichtverletzung des Beraters beruhen.

4. Die Verjährung vertraglicher Ersatzansprüche nach § 68 StBerG wird nicht in entsprechender Anwendung von § 852 Abs. 2 BGB durch Verhandlungen zwischen dem Auftraggeber und dem Berater oder seinem Haftpflichtversicherer gehemmt; auch § 639 Abs. 2 BGB ist auf die Verjährung nach § 68 StBerG nicht übertragbar.

5. Der sogenannte „sekundäre” Ersatzanspruch gegen oder Steuerberater setzt vielmehr eine neue schuldhafte Pflichtverletzung voraus, die über das den Primäranspruch auslösende Verhalten hinausgeht; allein die Pflichtwidrigkeit, die den Schaden des Mandanten verursacht hat, löst die Sekundärfrist nicht aus. Ein erst nach Mandatsbeendigung entstandener Prüfungsanlass vermag deshalb eine Hinweispflicht und somit auch eine Sekundärverjährung nicht mehr zu begründen.

6. Zur Treuwidrigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede eines Steuerberaters.

 

Normenkette

BGB §§ 198, 202, 209, 222, 242, 249, 425, 429, 639, 675, 852; StBerG § 68; ZPO § 270 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 5 O 284/98)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.7.2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen fehlerhafter Steuerberatung; der Beklagte bestreitet Grund und Höhe des Anspruchs und beruft sich im Übrigen auf Verjährung.

Der Beklagte war für die Klägerin aufgrund deren Auftrags vom 5.2.1989 (Bl. 11 GA) als Steuerberater tätig und hat in dieser Funktion unter anderem deren Bilanzen für 1989 und 1990 erstellt. Im Frühjahr 1993 gab er seine Tätigkeit auf und veräußerte seine Praxis an den Steuerberater R …. (Bl. 99 ff. GA), der die Klägerin seitdem in steuerlichen Belangen betreut. Im Zuge einer Betriebsprüfung gelangten die Finanzbehörden im Jahr 1994 zu der Feststellung, dass die Klägerin vom Anstellungsvertrag nicht gedeckte Zahlungen an ihren Geschäftsführer geleistet habe; i.H.v. 10.846 DM für 1989 und von 25.000 DM für 1990 handele es sich somit steuerlich um verdeckte Gewinnausschüttungen. Die entsprechenden Körperschafts-, Gewerbesteuer- sowie Zinsbescheide für beide Jahre sind der Klägerin spätestens am 15.9.1994 zugegangen (Bl. 42 ff. GA).

Ein gegen den Geschäftsführer der Klägerin eingeleitetes Steuerstrafverfahren wurde mit Bescheid vom 16.4.1997 nach § 153a StPO gegen Zahlung von 5.000 DM eingestellt (Bl. 25 f. GA). Jenen Betrag machte der Geschäftsführer daraufhin unter dem 25.4.1997 gegen den Beklagten geltend (Bl. 27 GA), der die Schadensmeldung an seinen Haftpflichtversicherer weiterleitete. Dieser erklärte sich nach längerer Korrespondenz (Bl. 161 ff., 91 GA) am 29.10.1997 bereit, an den Geschäftsführer der Klägerin zur Abfindung ihm entstandener Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten einen Betrag von 6.127 DM zu zahlen (Bl. 28 GA).

Unter dem 21.10.1997 machte die Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatzforderungen i.H.v. 155.100,50 DM geltend (Bl. 30 f. GA); dem Schreiben war eine Aufstellung des jetzigen Steuerberaters der Klägerin vom 17.9.1997 über die aus verdeckter Gewinnausschüttung resultierenden Steuernachnachzahlungen beigefügt (Bl. 32 f. GA). Mit Schreiben vom 8.12.1997 meldete die Klägerin jenen Betrag beim Versicherer des Beklagten an (Bl. 89 = 168 GA), der die Regressforderung jedoch unter dem 25.2.1998 gegenüber der Klägerin (Bl. 40 GA) und am 5.3.1998 gegenüber ihrem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten im Namen des Beklagten als unbegründet zurückwies. Die daraufhin am 22.5.1998 eingereichte Klageschrift (Bl. 1 GA) ist dem Beklagten erst am 24.1.2001 zugestellt word...

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