Leitsatz (amtlich)
1. Die in einem Pachtvertrag enthaltene Getränkebezugspflicht eines Pächters, der als Existenzgründer Verbraucherschutz genießt, ist bei fehlerhafter Belehrung über das Widerrufsrecht binnen Jahresfrist widerruflich.
2. Ist der Widerruf wirksam, so ist im Zweifel der gesamte Pachtvertrag nichtig.
Normenkette
BGB §§ 139, 581; VerbrKrG § 7
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 3 0 140/00) |
Tenor
Das Versäumnisurteil des Senats vom 16.4.2002 wird aufrechterhalten.
Die Beklagte trägt die weiteren Kosten der Berufungsinstanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Das mit dem zulässigen Einspruch von der Beklagten angegriffene Versäumnisurteil des Senats ist zu bestätigen, weil die Berufung des Klägers begründet ist.
I. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 10.411,24 Euro (= 20.362,39 DM) beanspruchen. Die Widerklage ist unbegründet.
Zugunsten des Klägers bestehen unstreitig Ansprüche aus der Übernahme von Inventar durch die Beklagte i.H.v. 25.875 DM gem. § 433 Abs. 2 BGB sowie ein Kautionsguthaben i.H.v. 3.667,39 DM aus dem Pachtvertrag gemäß § 581 Abs. 1 BGB, insgesamt 29.542,39 DM.
Demgegenüber stehen der Beklagten über 9.180 DM hinausgehende Zahlungsansprüche nicht zu, so dass im Wege der Verrechnung für den Kläger ein Betrag von 20.362,39 DM (= 10.411,12 Euro) verbleibt.
Die Beklagte kann von dem Kläger für die Zeit nach dem 14.6.1997 weder Pachtzinsen aus § 581Abs. 1 S. 2 BGB noch eine Nutzungsentschädigung gem. §§ 988, 812 BGB beanspruchen.
1. Ein Pachtvertrag (im folgenden: PV) besteht zwischen den Parteien nicht. Denn der Kläger hat die in § 12 PV vereinbarte Bezugsverpflichtung wirksam widerrufen. Dies führt zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 139 BGB.
a) Die genannte Getränkebezugsverpflichtung unterliegt als Kreditgeschäft besonderer Art i.S.d. §§ 1 Abs. 1 und 2; 2 Nr. 3 VerbrKrG den Bestimmungen dieses Gesetzes, das am 1.1.1991 – und damit vor Abschluss des hier maßgeblichen Vertrages vom 11.7.1996 – in Kraft getreten ist. Die Beklagte ist als Getränkegroßhändler Kreditgeberin i.S.d. § 1 Abs. 1 VerbrKrG. Der Kläger ist zwar nicht Verbraucher i.S.d. genannten Bestimmung. Er ist diesem aber gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG als so genannter Existenzgründer gleichgestellt.
b) Die Bezugsverpflichtung ist nicht wirksam geworden. Die diesbezügliche Willenserklärung des Klägers unterliegt gem. § 7 Abs. 1 VerbrKrG dem Widerrufsrecht. Dieses Recht hat der Beklagte ausgeübt, womit die bis dahin schwebend unwirksame Bezugsverpflichtung endgültig erloschen ist.
(1) Die Wirksamkeit des Widerrufs scheitert nicht daran, dass der Begriff „Widerruf” in der Kündigungserklärung des Klägers vom 14.6.1997 (Bl. 17 GA) nicht verwendet worden ist. Maßgeblich ist nicht die Begrifflichkeit, sondern gem. §§ 133, 157 BGB der aus der Erklärung erkennbare Wille, die vertragliche Bindung nicht (mehr) anerkennen zu wollen (vgl. BGH v. 21. 10.1992 – VIII ZR 143/91, NJW 1993, 128; v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, MDR 1996, 892 = NJW 1996, 1964; OLG Düsseldorf v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, OLGReport Düsseldorf 2001, 204; Bülow, Verbraucherkreditgesetz, 4. Aufl., § 7 Rz. 83). Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass der Kläger mit der Kündigung des gesamten Pachtvertrages auch die Bindung an die Bezugsverpflichtung nicht mehr anerkennen wollte.
(2) Der Widerruf ist auch rechtzeitig, nämlich innerhalb der offenen Widerrufsfrist erfolgt.
Im Streitfall beträgt die Widerrufsfrist abweichend von § 7 Abs. 1 VerbrKrG nicht nur eine Woche, sondern gem. § 7 Abs. 2 VerbrKrG ein Jahr. Die Wochenfrist ist nur dann maßgeblich, wenn der Verbraucher/Existenzgründer über sein Recht zum Widerruf in der Weise belehrt worden ist, wie dies in § 7 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG vorgeschrieben ist. Daran fehlt es hier. Die Widerrufsbelehrung ist zumindest in zweifacher Hinsicht fehler- und lückenhaft:
Die Belehrung ist lückenhaft. Sie macht nicht mit der notwendigen Deutlichkeit klar, dass dem Kläger ein Widerrufsrecht zustand. Der von der Beklagten verwendete Vordruck sieht den Eintrag eines Namens oder möglicherweise auch einer Rechtsstellung (etwa: Besteller/Käufer/Bürge/Verbraucher) vor. Dort fehlt es aber an einem Eintrag. Dadurch ist die Belehrung unzureichend. Denn die Formulierung:
„Entsprechend dem Abzahlungsgesetz wird die auf den Abschluss vorstehenden Vertrages gerichtete Willenserklärung des/der … [Auslassung im Original] erst wirksam, wenn …”
ist unklar: Die in dem Vordruck enthaltene gestrichelte Linie vermittelt dem Adressaten nämlich den Eindruck, es sei von den Umständen des Einzelfalls abhängig, ob und ggf. wem ein Widerrufsrecht zustehe.
Die Unklarheit über das Bestehen eines Widerrufsrechts wird dadurch verstärkt, dass die Belehrung fehlerhaft dahin ging, ein Widerruf könne entsprechend dem Abzahlungsgesetz erfolgen. Dieses Gesetz war schon zum 1.1.1991 außer Kraft getreten. Durch den fehlerhaften Hinweis auf das Abzahlungsgesetz bestand entgegen der Auffassung der Beklagten die generelle Gefahr, dass der Kläger das ihm zusteh...