Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt: Befristung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt
Leitsatz (amtlich)
"Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt - Aufstockungsunterhalt - ist zu befris-ten, wenn der/die Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung der Ehe an seine vor/bei Eheschließung gegebenen Verdienstmöglichkeiten angeknüpft hat."
Normenkette
BGB § 1578b Abs. 2
Verfahrensgang
AG Dinslaken (Urteil vom 06.03.2009) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Dinslaken vom 6.3.2009 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte aus dem Urteil lediglich 1.737 EUR zu zahlen hat.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 7.188 EUR.
Gründe
I. Der am ... 3.1951 geborene Kläger und die am ... 6.1952 geborene Beklagte haben am 10.8.1984 - jeweils in 2. Ehe - geheiratet. Die Trennung erfolgte im Oktober 2001. Rechtskräftig geschieden sind die Parteien seit dem 9.8.2005.
Aus der Ehe sind zwei Kinder (9/1985; 1/1987) hervorgegangen, die der Kläger auch nach der Trennung der Parteien betreut hat. Die Beklagte hat zwei weitere Kinder (1975, 1977) mit in die Ehe gebracht.
Der Kläger wurde im Verbundurteil vom 9.8.2005 zur Zahlung monatlichen Nachscheidungsunterhalts von 599 EUR verurteilt; Anspruchsgrundlage waren die §§ 1572, 1573 Abs. 2 BGB.
Die Beklagte ist gelernte Frisörin. Seit etwa 2005 arbeitet sie nach eigenen Angaben vollschichtig in diesem Beruf. Nach ihrer eigenen Erklärung konnte sie bis zu einem Unfall am 14.2.2008, bei dem sie eine komplizierte Schulterverletzung erlitt, ihren Beruf "mit Freude" ausüben und war "jeglicher beruflichen Anforderung gewachsen". Zu ihrem Nettoverdienst von 905,42 EUR hat sie ausdrücklich erklärt, dass sie damit "in der Spitzenklasse des Verdienstes" als Frisörin liege.
Mit am 4.9.2008 zugestellter Abänderungsklage erstrebte der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung und die Rückzahlung überzahlten Unterhalts für die Zeit vom 4.9.2008 bis 30.11.2008. Das AG hat der Abänderungsklage stattgegeben und die Beklagte zur Rückzahlung von 1.863 EUR verurteilt. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht geltend, dass eine Rückzahlungsverpflichtung für den Monat September 2008 nicht in Betracht komme, da der grundsätzlich für den gesamten Monat geschuldete Unterhalt zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit bereits fällig gewesen und daher mit Rechtsgrund gezahlt worden sei. Sie habe bei Eheschließung mit dem Kläger darauf vertrauen können, im Falle einer Scheidung einen lebenslangen Unterhaltsanspruch zu haben; in diesem Vertrauen sei sie zu schützen. Im Übrigen beschäftigt sich die Berufungsbegründung zum überwiegenden Teil mit einer vermeintlichen Verfassungswidrigkeit der §§ 1569 ff. BGB, wobei sie sich im Wesentlichen mit § 1570 BGB auseinandersetzt.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Soweit das AG infolge eines Rechenfehlers den Rückzahlungsanspruch um 126 EUR zu hoch tituliert hat, hat der Kläger auf die Rechte aus dem Urteil verzichtet.
II. Die - zulässige - Berufung hat keinen Erfolg.
Die Abänderungsklage des Klägers ist begründet, da nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorverfahren wesentliche Änderungen der für die Unterhaltsverpflichtung maßgeblichen Umstände eingetreten sind. Die Gesetzesänderung zum 1.1.2008 ist als solche Änderung anzusehen (Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 10 Rz. 158d).
Der von der Beklagten reklamierte Vertrauenstatbestand auf einen lebenslangen Unterhalt fand und findet im Gesetz keine einer Unterhaltsbegrenzung entgegenstehende Grundlage. Unterhaltsansprüche aus §§ 1570, 1572 BGB waren nach altem und sind nach neuem Unterhaltsrecht an bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen gebunden, die hier nicht vorliegen; weder betreut die Beklagte minderjährige Kinder aus der Ehe, noch liegt eine den ehelichen Lebensverhältnissen zuzuordnende Erkrankung vor (s. dazu unten). Ein zu schützendes Vertrauen der Beklagten ist damit insoweit nicht gegeben.
Betr. den Aufstockungsunterhalt gem. § 1573 Abs. 2 BGB ist darauf zu verweisen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Heirat, auf den sich der von ihr geltend gemachte Vertrauenstatbestand allein beziehen kann, davon ausgehen konnte und musste, dass die seinerzeit von der Rechtsprechung durchgängig angewandte sog. Anrechnungsmethode faktisch zumindest zu einer erheblichen Reduzierung dieses Unterhalts und mithin auch nach damaliger Rechtslage nicht zu einer unbeschränkten Lebensstandardgarantie geführt hätte. Zudem galt auch nach altem Recht zunächst der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung geschiedener Eheleute gem. § 1569 BGB, und mit dem nachehelichen Unterhalt sollten und sollen in erster Linie die Risiken der mit der Scheidung fehlgeschlagenen Lebensplanung der Ehegatten angemessen ausgeglichen werden (so BGH Urt. v. 6.2.2008 - XII ...