Leitsatz (amtlich)
1. Eine Konkurrenzlage, die den Unternehmer bei einem Verstoß des Handelsvertreters zur Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB berechtigt, liegt schon dann vor, wenn nur einzelne Sortimentsteile in Konkurrenz stehen, weil schon dann die Gefahr besteht, dass der Kunde seinen gesamten Bedarf bei einem Drittunternehmen deckt, von dem er bereits die vom Auftraggeber des Handelsvertreters nicht angebotenen Produkte bezieht.
2. Bei der Frage, ob eine unzulässige Wettbewerbstätigkeit vorliegt, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die vom Gericht und nicht von einem Sachverständigen zu beantworten ist.
Normenkette
HGB §§ 86, 89b
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 12 O 10/00) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.12.2000 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Krefeld abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug über die von dem Kläger in der Zeit zwischen dem 1.10.1996 und dem 12.7.1999 bei dem Vertrieb der Brillenkollektionen E., D.H. und C. vermittelten Kundengeschäfte zu erteilen, wobei der Buchauszug sich nicht auf Geschäfte mit der sog. R.-Gruppe zu erstrecken hat. Im Übrigen wird der Antrag auf Erteilung eines Buchauszugs zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschl. der im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und hat aus den mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erörterten Gründen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Ausgleichs gem. § 89b HGB besteht nicht. Das Urteil des LG ist entsprechend abzuändern.
Die Anschlussberufung des Klägers ist ebenfalls zulässig und im Rahmen des von der Beklagten erklärten Anerkenntnisses begründet.
I. Ausgleich
Der Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB scheitert im vorliegenden Fall an der berechtigten fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrags durch die Beklagte, weil der Kläger gegen das ihm unter 1.5 des Handelsvertretervertrags auferlegte Wettbewerbsverbot verstoßen hat und der Ausgleichsanspruch deshalb gem. § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB ausgeschlossen ist. Die Voraussetzungen für diese Ausnahmevorschrift, nach welcher ein Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei einer Kündigung des Handelsvertretervertrags aus wichtigem Grund durch den Unternehmer nicht besteht, sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Handelsvertretervertrag ist durch die Kündigung der Beklagten vom 12.7.1999 aus wichtigem Grund beendet worden.
1. Der Kläger hat neben den Kollektionen der Beklagten weitere Kollektionen vertreten.
a) Gemäß dem schriftlichen Handelsvertretervertrag vom 12.8.1996 war dem Kläger die Vertretung der Brillenkollektionen von E. und D.H. übertragen worden. Aufgrund mündlicher Vereinbarung vertrat er seit Februar 1998 für die Beklagte auch die Kollektion C.
b) Der Kläger hat neben den Kollektionen der Beklagten, nämlich E., D.H. und C., auch diejenigen der Designer B. und S.R. vertreten.
aa) Nach dem Ergebnis der durch das LG durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger in der Zeit vom 19.11.1998 bis zum 15.6.1999 die Brillen des Designers B. als dessen „freier Handelsvertreter” vertrieben hat. Der Zeuge B. hat dies in seiner schriftlichen Aussage vom 16.6.2000 erklärt. Der Inhalt des Schreibens des Zeugen an die Beklagte vom 27.10.1999 bestätigt das.
bb) Außerdem hat der Kläger seit Anfang 1999 die Kollektion S.R. des Unternehmens B.B. vertreten. Das steht nach dem unstreitigen Vortrag fest. Dies hat der Kläger in dem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.7.1999 selbst eingeräumt, wonach er die Kollektion „probeweise” vertreten haben soll.
c) Gestattet war ihm der Vertrieb der Kollektionen S.R. und B.B. nicht.
aa) Wie das LG nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt hat, hat der Kläger ggü. dem Zeugen B. wahrheitswidrig erklärt, die Kollektion B. nur getestet zu haben. Gegenüber der Zeugin P. hat er erklärt, neben den Kollektionen der Beklagten lediglich eine Kollektion C. und eine Schwimmbrillenkollektion vertrieben zu haben.
bb) Eine Einwilligung für den Vertrieb der Kollektion S.R. von B.B. behauptet der Kläger selbst nicht.
2. Entgegen der vom LG vertretenen Auffassung besteht zwischen den Kollektionen ein Wettbewerbsverhältnis und hat der Kläger mit dem gleichzeitigen Vertrieb der Kollektionen gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot verstoßen.
a) Das Wettbewerbsverbot folgte für den Kläger bereits aus § 86 Abs. 1 HGB.
aa) Auch ohne besondere Vereinbarung schuldet der Handelsvertreter nach der Vorschrift des § 86 Abs. 1 HGB als Teil der umfassenden vertraglichen Treuepflicht die uneingeschränkte Wahrnehmung der Interessen des Unternehmers. Er hat alles zu unterlassen, was den Interessen des Unternehmers schaden oder abträglich sein könnte, als...