Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung deutschen Rechts auf die Scheidung türkischer Eheleute
Leitsatz (amtlich)
Kraft Rückverweisung findet auf die Scheidung türkischer Eheleute deutsches Sachrecht Anwendung, wenn die Ehegatten seit Jahren in Deutschland leben und ein Ehegatte vor Einreichung des Scheidungsantrags die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
Normenkette
EGBGB Art. 17 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative, Art. 4 Abs. 1 S. 1; türk.IPRG Art. 13
Verfahrensgang
AG Duisburg (Urteil vom 12.05.2004; Aktenzeichen 59 F 128/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des AG Duisburg vom 12.5.2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird.
Gründe
I. Die seit langem in Deutschland lebenden Parteien sind verheiratet und haben keine gemeinsamen Kinder. Zum Zeitpunkt ihrer Heirat am 30.9.1992 in der Türkei waren sie beide türkische Staatsangehörige. Seit dem 29.9.2003 ist der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger; aus der türkischen Staatsangehörigkeit ist er am 30.9.2003 entlassen worden. Die Antragsgegnerin ist weiterhin türkische Staatsangehörige.
Im Juli 2002 ist der Antragsteller aus der Ehewohnung ausgezogen; seitdem leben die Parteien getrennt.
Der Antragsteller hat die Ehescheidung zunächst gestützt auf türkisches Recht mit der Begründung begehrt, die Ehe sei zerrüttet; es habe von Anfang an Auseinandersetzungen gegeben und er sei von seiner Frau, die ihn unstreitig 1993 nach Deutschland geholt hat, wie ein Sklave behandelt worden. Die Antragsgegnerin hat dem am 15.12.2003 eingegangenen und am 19.3.2004 zugestellten Scheidungsantrag widersprochen und geltend gemacht, sie wolle die Ehe, aus der sich der Antragsteller nach Erhalt eines eigenständigen Bleiberechtes in Deutschland einseitig gelöst habe, aufrechterhalten. Wegen des Widerspruches der Antragsgegnerin hat der Antragsteller die Auffassung vertreten, es sei nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB deutsches Recht anzuwenden.
Das AG hat den Scheidungsantrag gestützt auf Art. 166 des türkischen Zivilgesetzbuches (künftig abgekürzt: türk. ZGB) zurückgewiesen, weil der Widerspruch der Antragsgegnerin beachtlich sei, da das Verschulden des Antragstellers an der Zerrüttung überwiege und der Widerspruch auch nicht rechtsmissbräuchlich sei. Eine regelwidrige Anwendung deutschen Rechts komme nicht in Betracht, weil die Scheidung nach türkischem Recht grundsätzlich möglich sei und nur derzeit am Widerspruch scheitere, nach Ablauf von drei Jahren könne die Scheidung aber ausgesprochen werden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung. Er macht geltend:
1. Die Antragsgegnerin habe in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nur ein ökonomisches Affektionsinteresse dokumentiert, was zur Begründung ihres Widerspruches nach türkischem Recht nicht ausreiche.
2. Die Ehe sei außerdem nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu scheiden, weil unter den Voraussetzungen des Widerspruches nach dem prinzipiell anzuwendenden türkischen Scheidungsrecht wenigstens derzeit eine Scheidung nicht möglich sei, was für eine regelwidrige Anwendung deutschen Rechts ausreiche.
Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des Urteils des AG Düsseldorf vom 12.5.2004 (AG Düsseldorf, Urt. v. 12.5.2004 - 59 F 128/03), die zwischen den Parteien am 30.9.1992 vor dem Standesbeamten in C./Türkei unter Heiratsregister-Nr. geschlossene Ehe zu scheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen;
sowie hilfsweise,
den Versorgungsausgleich im Verbund durchzuführen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vor allem die Anwendung des türkischen Rechts.
II. Die Berufung des Antragstellers ist zulässig und in der Sache begründet, wenngleich aus anderen, als den vom Antragsteller benannten Gründen.
Auf den Scheidungsantrag des Antragstellers findet nämlich materielles deutsches Recht Anwendung. Zwar wird gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative EGBGB hinsichtlich der Anwendung des materiellen Rechts zunächst auf das Recht hingewiesen, nach dem sich die allgemeinen Wirkungen der Ehe richten, d.h. auf das Recht des Staates, dem beide Ehegatten zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, d.h. hier auf das materielle türkische Recht. Mit dieser Verweisung auf das materielle türkische Recht wird gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach dem Prinzip der Gesamtverweisung nicht nur auf das türkische Scheidungsrecht, sondern auch auf das türkische Kollisionsrecht und damit auf Art. 13 des türkischen Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (künftig abgekürzt: türk. IPRG) verwiesen (vgl. Rausch in Handbuch des Fachanwalts für Familienrechts, 4. Aufl., § 15 Rz. 13, OLG Frankfurt FamRZ 2004, 943). Ob das türkische Recht die Verweisung i.S.v. Art. 4 Abs. 1 EGBGB annimmt, ob zurück- oder weiterverwiesen wird, regelt nämlich nicht Art. 2 türk. IPRG, sondern hängt vo...