Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungshemmung durch selbständiges Beweisverfahren, Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens und Ende der Hemmung/Beginn der 6-Monatsfrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB
Leitsatz (amtlich)
Ist vom Gericht im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens auf entsprechenden Antrag eines Beteiligten des Verfahrens die Anhörung des Sachverständigen angeordnet worden, endet das Verfahren mit der Verlesung und Genehmigung des Sitzungsprotokolls im Anhörungstermin. Damit endet die gem. § 204 Abs. 1 Nr. 7 ZPO durch die Zustellung des Antrages auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens eingetretene Verjährungshemmung 6 Monate nach diesem Anhörungstermin (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Für die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens ist es unerheblich, ob die vom Sachverständigen in Beantwortung der Beweisfragen getroffenen Feststellungen richtig oder falsch waren oder ob der Sachverständige selbst die tatsächlichen Grundlagen für seine im schriftlichen Gutachten niedergelegten Erkenntnisse bei seiner Anhörung in Zweifel gezogen hat. Eine Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens tritt dann nicht ein, wenn eine Partei innerhalb angemessener Frist Einwendungen gegen das in ihren Augen unzulängliche Gutachten erhebt, die durch die Anhörung nicht ausgeräumt seien. Sieht die Partei hiervon bewusst ab, um sogleich das Hauptverfahren mit ggfls ergänzenden Fragen betreiben zu können, endet das selbständige Beweisverfahren nach den obigen Grundsätzen.
Normenkette
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1; ZPO § 492
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 25.10.2007; Aktenzeichen 21 O 8/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Duisburg vom 25.10.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin bestellte für den Betrieb der seinerzeit bis zum neu eröffneten "C." verlängerten Straßenbahnlinie ... zwischen M. und O. im Jahre 1994 bei der zwischenzeitlich in der Beklagten als Rechtsnachfolgerin aufgegangen ... AG (im Folgenden: Beklagte) sechs Niederflur-Stadtbahnwagen zum Preis von insgesamt 12.876.886,02 EUR. Über die hier interessierenden Bestimmungen des zugrunde liegenden Erwerbsvertrages verhält sich ein Memorandum vom 22.9.1994 (Anlage K 1, Anlagenhefter). Ziff. 10 des Memorandums regelt die Gewährleistung wie folgt:
"Für die von der D. gelieferten Fahrzeuge wird eine Gewährleistungszeit von 12 Monaten nach Inbetriebsetzung vereinbart, längstens jedoch für die Dauer von 15 Monaten nach Lieferung der Fahrzeuge frei abgeladen Betriebshof.
In dieser Zeit werden alle von der D. zu vertretenden Mängel nach der D. entweder durch Nachbesserung und Neulieferung beseitigt.
Im Wege der Kulanz akzeptiert D., dass sich nach Ablauf der 12-monatigen Gewährleistungszeit ein weiterer 12-Monats-Zeitraum anschließt, in dem gleichartige Leistungen gewährt werden.
Für nachgebesserte oder neu gelieferte Teile beträgt die Gewährleistungsfrist 6 Monate, sie läuft jedoch mindestens bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Gewährleistungszeit.
Das Recht der S ... auf Wandlung oder Minderung bleibt unberührt, sofern D. eine einvernehmlich vereinbarte angemessene Frist verstreichen lässt, ohne die Behebung des Mangels zu betreiben und dieser Mangel die betriebsübliche Nutzung der betroffenen Ausrüstung wesentlich erschwert oder unmöglich macht."
Die 6 Niederflur-Gelenkwagen wurden im Januar und März 1996 an die Klägerin ausgeliefert und alsbald in Betrieb genommen. Im Jahr 1998 stellte die Klägerin einen unverhältnismäßig starken Abrieb der Schienen und Schienenköpfe auf der neuen Fahrstrecke zwischen den Haltestellen L. und O. fest. Sie führt diesen Umstand nach zahlreichen Untersuchungen bis heute auf einen Mangel der von der Beklagten gelieferten Stadtbahnwagen zurück, die auf dieser Strecke eingesetzt waren. Demgegenüber meint die Beklagte, der übermäßige Schienenabrieb sei nicht auf Mängel der Fahrwerke der Gelenktriebwaren, sondern auf eine unzureichende Feinabstimmung des Radprofils der Straßenbahnwagen auf das vorhandene Schienennetz zurückzuführen. Für diese Abstimmung sei die Klägerin verantwortlich gewesen.
In einem Gespräch am 18.3.1998 sicherte die Beklagte der Klägerin zu, sich wegen der ungeklärten Ursachen für den übermäßigen Schienenabrieb nicht auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüche berufen zu wollen. Mit der Klärung der vorerwähnten Mängelproblematik hatten die Parteien eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Sachverständigen M. beauftragt. Dieserhalb vereinbarten die Parteien in einem weiteren Gespräch...