Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anwendbarkeit und Reichweite der Grundsätze der Vorteilsausgleichung in Fällen pflichtwidriger Anlageberatung, insb. zum Kreis der in der Vorteilsausgleichung einzubeziehenden gewinnbringenden Wertpapiergeschäfte.
2. Zum Umfang der beiderseitigen Darlegungslast bei behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen.
Normenkette
BGB § 249 ff.
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 1 O 180/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.10.2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Auch in dem, im Berufungsverfahren allein noch weiterverfolgten Umfang von 10.215,77 Euro (19.980,30 DM) steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu.
Alle näher in Betracht kommenden Grundlagen für einen Anspruch des Klägers – aus Vertrag, unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsschluss oder aus Delikt wegen einer Schutzgesetzverletzung – setzen voraus, dass den Beklagten eine Pflichtverletzung zur Last fällt und dem Kläger durch diese ein Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB entstanden ist. Daran fehlt es.
1. Zum einen macht der Kläger geltend, er, der zur Zeit der maßgeblichen Gespräche über keine Wertpapiererfahrung verfügt und das Anlageziel einer Altersvorsorge verfolgt habe, sei von den Beklagten aus seiner bisherigen konservativen Anlagepolitik in einen hochspekulativen Anlagebereich gedrängt worden, ohne anlegergerecht, d.h. unter Berücksichtigung seiner persönlichen Erfahrungen und Interessen, und ohne anlagegerecht beraten, namentlich über die Risiken der beabsichtigten Geschäfte im Allgemeinen sowie die Risiken einer Anlage in ausländischen Aktien speziell aufgeklärt worden zu sein; hierdurch sei es bei zwölf, im Zeitraum vom 30.1.1997 bis zum 4.8.1998 getätigten Wertpapiergeschäften zu Verlusten gekommen, von denen der im Zusammenhang mit dem Erwerb der XY-Aktien eingetretene Totalverlust mit der Klage im zweiten Rechtszug geltend gemacht werde.
Selbst wenn man dieses Vorbringen zugrunde legt und von einem Verstoß der Beklagten gegen ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung und bis zu dem vom Kläger angeführten schadensträchtigen Zeitraum ausgeht, fehlt es jedenfalls an einem hierdurch bewirkten Schaden im oben angesprochenen Rechtssinne. Hat nämlich ein zum Schadensersatz verpflichtendes Ereignis – hier die unterstellte Pflichtverletzung – neben Nachteilen auch Vorteile gebracht, sind Letztere im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen, sofern zwischen dem schädigenden Ereignis und den Vorteilen ein adäquater Ursachenzusammenhang und darüber hinaus ein innerer Zusammenhang derart besteht, dass Nach- und Vorteile bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sind. Bei dieser Wertung ist insb. dem Zweck des Schadensersatzes Rechnung zu tragen, mit anderen Worten muss die Anrechnung dem Geschädigten zumutbar sein und darf sie den Schädiger nicht unbillig entlasten. Nach diesen Maßgaben hat hier eine Anrechnung mit vom Kläger aus seinen Wertpapiergeschäften erzielten Gewinnen stattzufinden, die den jetzt noch geltend gemachten Schaden von knapp 20.000 DM entfallen lässt.
Dass zwischen der angenommenen Pflichtverletzung und den erzielten Gewinnen ein adäquater Ursachenzusammenhang besteht, ist unzweifelhaft. Denn nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens wäre es bei pflichtgemäßer Tätigkeit der Beklagten nicht zu den risikobehafteten Geschäften gekommen, bei denen dann die Gewinne anfielen; ebenso war die Möglichkeit eines Gewinns objektiv vorhersehbar.
Was den erwähnten inneren Zusammenhang zwischen Nach- und Vorteilen anbelangt, mag es – worauf sich der Kläger ausdrücklich beruft – sein, dass sich eine uneingeschränkte Verrechnung der Verluste des Klägers mit seinen Gewinnen aus Wertungsgesichtspunkten verbietet. Denn könnte eine Bank einwenden, der Kunde sei zwar über zwei, und zwar verschiedenartige, Produkte nicht hinreichend aufgeklärt worden, habe bei dem einen Produkt Verlust erlitten, bei dem anderen hingegen einen höheren Gewinn, stünde sich die Bank bei einer solchen „doppelten” Verletzung ihrer Aufklärungspflicht besser, als wenn sie über das zweitgenannte Produkt ordnungsgemäß aufgeklärt hätte, weil dieses dann in eine Schadensbetrachtung von vornherein nicht einbezogen werden könnte. Hieraus wird im Schrifttum (Allmendinger/Tilp, Börsentermin- und Differenzgeschäfte, 1998, Rz. 845–847; wohl auch Schäfer, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, 1999, Rz. 62) die Folgerung gezogen, Gewinne könnten auf Verluste nur angerechnet werden, wenn es sich um Produkte handele, hinsichtlich deren die Aufklärungspflicht einen gleichartigen Inhalt habe, weil dann eine ordnungsgemäße Aufklärung über das Verlustgeschäft zugleich eine ordnungsgemäße Aufklärung über das Gewinngeschäft enthalten hätte. Ob dieser ...