Leitsatz (amtlich)

1. Der Anwendungsbereich des § 650i Abs. 1 BGB ist nicht auf die Errichtung oder den Umbau eines privaten Wohngebäudes beschränkt, sondern erfasst auch die Neuerrichtung eines Bürogebäudes.

2. Von einem Verbraucherbauvertrag iSd § 650i Abs. 1 Alt. 1 BGB ist nur auszugehen, wenn der Werkunternehmer mit dem Bau eines vollständigen Gebäudes beauftragt wird. Daran fehlt es, wenn der Unternehmer nicht alle Leistungen zu erbringen hat, die allgemein als wesentlich für ein Gebäude angesehen werden.

3. Im Rahmen von § 650f Abs. 1 S. 4 BGB kann aufgrund der berechtigten Sicherungsinteressen des Werkunternehmers die Aufrechnung mit einer streitigen Forderung allenfalls dann zugelassen werden, wenn bei der Entscheidung über die Sicherheitsleistung zugleich bereits feststeht, dass auch die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung begründet ist.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 6 O 138/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3.12.2021 verkündete Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Bauhandwerkersicherung in Höhe von 89.819,77 EUR zu stellen. Im Übrigen wird die Klage im Hinblick auf den Klageantrag zu 1) abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Berufung des Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der 1. Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Die Kosten dieses Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 35% und der Beklagte zu 65%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- EUR. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Für den Beklagten wird die Revision zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherung und Zahlung von Werklohn. Der Beklagte verlangt widerklagend Rückzahlung einer behaupteten Überzahlung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rohbauvertrag.

Der Beklagte ließ ein Bürogebäude als Neubau in A.-Stadt errichten. Er erteilte der Klägerin im Mai 2017 auf Basis eines Angebotes vom 17.5.2017 den Auftrag für Rohbauarbeiten, die im Dezember 2017 fertiggestellt wurden.

Zu verschiedenen späteren Zeitpunkten beauftragte der Beklagte die Klägerin noch mit der Verlegung des Estrichs, mit der Ausführung von Trockenbauarbeiten, mit Zimmererarbeiten und mit Stundenlohnarbeiten hinsichtlich des Treppenhauses.

Die Rohbauarbeiten rechnete die Klägerin mit Schlussrechnung vom 2.5.2018 ab, die der Beklagte vollständig beglich. Unter dem 27.12.2018 erstellte die Klägerin Schlussrechnungen über die Estrichverlegung, die Trockenbauarbeiten und die Zimmererarbeiten. Unter dem 28.4.2020 erstellte die Klägerin eine zusammenfassende Schlussrechnung über die Trockenbau- und Zimmererarbeiten, die Verlegung des Estrichs und die Stundenlohnarbeiten. Den sich aus dieser Schlussrechnung ergebenden Betrag macht sie mit der Klage geltend. Zudem verlangt sie eine Sicherheit für den Schlussrechnungsbetrag zzgl. eines Aufschlags von 10%. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung von 68.731,61 EUR da er insoweit eine Überzahlung der Rohbauarbeiten geltend macht.

In der Berufungserwiderung hat der Beklagte mit dem behaupteten Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Rohbauarbeiten hilfsweise die Aufrechnung erklärt (Bl. 76 GA OLG).

Zu den Anträgen und zum Vorbringen der Parteien sowie zur Prozessgeschichte im ersten Rechtszug wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit dem am 3.12.2021 verkündeten Teilurteil hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - den Beklagten verurteilt, der Klägerin eine Bauhandwerkersicherung in Höhe von 14.215,00 EUR zu stellen.

Es sei über den Anspruch der Klägerin auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F./§ 650n BGB n.F. durch Teilurteil zu entscheiden, da dieser Anspruch zur Endentscheidung reif sei, § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB n.F./§ 648a BGB a.F. zu. Der Anspruch bestehe in Höhe von 14.215,00 EUR.

Es könne dahinstehen, ob sich der Anspruch der Klägerin hier nach § 648a BGB a.F. oder § 650f BGB n.F. richte. Die Vorschriften seien mit der in Abs. 6 geregelten Ausnahme identisch. Die Ausnahme greife aber nach keiner Vorschrift ein.

Für § 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB a.F. ergebe sich das schon daraus, dass der Beklagte die Klägerin nicht mit Arbeiten an einem Einfamilienhaus oder einer Einliegerwohnung beauftragt habe. Nach § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB n.F. stünde der Klägerin kein Anspruch auf Sicherheit zu, wenn die Parteien einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB

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