Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 12 O 65/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 19.04.2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Abweisung der Widerklage entfällt.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über restliche Zahlungsansprüche der Klägerin und dagegen aufgerechnete bzw. hilfsweise mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzansprüche der Beklagten aus Inventurdifferenzen.
Sie waren durch das inzwischen beendigte "A. Agreement by 30.04.2012" (Bl. 155 ff. GA von der Klägerin am 02.05.2012 unterzeichnet) verbunden gewesen, in dem bezüglich der Haftung u. a. Folgendes geregelt gewesen ist:
Damaged by A:
A. is liable according ADSp newest version. ...
A. is liable for inventory differences up to 99,6% from the value of the goods (buying price) which are handled by A. each year. ...
Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte - unter Klageabweisung im Übrigen - zur Zahlung von 218.235,30 EUR nebst Zinsen verurteilt und ihre Widerklage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Erstgericht ausgeführt, dass die Beklagte gegen die der Klägerin unstreitig zustehenden Speditionsforderungen von 214.051,11 EUR sowie Ansprüche auf Lagermiete von 4.184,19 EUR nicht mit Forderungen aus Inventurverlusten aufrechnen könne. Dem stehe die Vereinbarung der Parteien vom 02.05.2012, wonach die Klägerin nur für Inventurverluste, die 0,4 % des Wareneinkaufswerts der von ihr jährlich umgeschlagenen Wagen überstiegen, hafte, entgegen. Diese Grenze werde hier nicht überschritten. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Inventurschäden aufgrund vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns zu vertreten habe. Es sei ihr allenfalls ein allgemeiner Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen, der eine summenmäßige Haftungsbeschränkung unberührt lasse. Es sei der Prüfungsmaßstab des § 475 HGB anzuwenden. Die Vernehmung des Zeugen B. habe ergeben, dass die Klägerin die Maßnahmen, die ein ordentlicher Kaufmann zur Abwendung von Schäden treffe, ergriffen habe. Die von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung, die Inventurverluste müssten auf Mitarbeiterdiebstählen beruhen, sei nicht gerechtfertigt. Die auf den Ersatz von Inventurverlusten und die Überzahlung auf der Grundlage der Preise gemäß Vereinbarung vom 15.05.2014 gestützte Widerklage sei unbegründet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie eine vollständige Abweisung der Klage und hilfsweise die Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 218.235,30 EUR erstrebt.
Das Landgericht sei davon ausgegangen, dass es sich bei der vorliegenden Inventurschadenklausel um eine reine Haftungssummenbegrenzung handele und diese für den Fall der groben Fahrlässigkeit oder des Vorsatzes nicht zum Tragen komme. Dies ergebe sich aus Ziffer 27 ADSp 2003. Das bedeute gleichzeitig, dass die in Rede stehende Haftungssummenbegrenzung für den Fall einer Kardinalpflichtverletzung nicht zum Tragen komme. Das Landgericht habe sich jedoch mit einer Kardinalpflichtverletzung nicht beschäftigt. Die Klägerin habe eine solche verletzt, weil der Verlust des Lagergutes auf einer Verletzung der Obhutspflicht beruhe. Zu den Kardinalpflichten des Lagerhalters gehöre auch die Pflicht, das Lagergut vor strafrechtlich relevanten Handlungen zu schützen. Wenn ein Sachverständiger zu dem Ergebnis komme, dass die festgestellten Lagerverluste nur auf Diebstählen von Mitarbeitern beruhen könnten, sei Vorsatz anzunehmen. Das Landgericht hätte deshalb das Beweisangebot auf Seite 16/17 im Schriftsatz der Beklagten vom 12.05.2015 auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, dass die Inventurdifferenzen nur auf organisatorischen Unzulänglichkeiten oder auf Mitarbeiterdelikten basieren könnten, nicht übergehen dürfen. Eine weitere - hier verletzte - Kardinalpflicht sei die Herausgabepflicht. Im vorliegenden Fall könne als Verlustursache nur von systematischen Diebstählen bzw. Unterschlagungen durch Mitarbeiter der Klägerin ausgegangen werden.
Zudem habe das Landgericht die Darlegungslast bei der Prüfung eines groben Verschuldens verkannt. Es sei von einer umfassenden sekundären Einlassungsobliegenheit der Klägerin auszugehen, der sie nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Für das Auslösen dieser sekundären Einlassungsobliegenheit reiche es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus, dass die Verlustursache vorprozessual völlig ungeklärt geblieben sei. Die Klägerin wär...