Leitsatz (amtlich)

1. Zur Reichweite eines Mietvertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier: Vermietung einer mobilen Hubarbeitsbühne).

2. Der Vermieter einer Arbeitsbühne braucht sich über Produktwarnhinweise nicht aus fern liegenden Quellen zu informieren, wenn das Gerät von der Prüfstelle abgenommen worden ist, bei der regelmäßigen Wartung Sicherheitsmängel nicht erkennbar werden und von der Berufsgenossenschaft, der der Vermieter angehört, solche Hinweise nicht erteilt werden.

3. Der Werkvertrag des Vermieters einer mobilen Hubarbeitsbühne mit dem die jährliche Arbeitsgeräteprüfung vollziehenden Unternehmer entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten des Mieters und seines Arbeitnehmers.

4. Der Werkunternehmer hat seinen Betrieb nicht so zu organisieren, dass ihn auch solche Warnhinweise erreichen können, die von der zuständigen Berufsgenossenschaft nicht an ihre Mitgliedsunternehmen weitergeleitet worden sind.

 

Normenkette

BGB §§ 328, 535, 631, 823

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 01.04.2005; Aktenzeichen 1 O 178/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 1.4.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve - Einzelrichter - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch den Absturz mit der Hubarbeitsbühne Fischler FH 1200 am 30.3.2001 gegen 13.45 Uhr auf dem Firmengelände der E.-GmbH, B-Str. 27 in G. entstanden sind, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

II. Die Kosten beider Rechtszüge werden wie folgt aufgeteilt: Der Kläger trägt die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 4) und 5) und von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 1) bis 3) 95 %, denen von den Gerichtskosten und den dem Kläger erwachsenen außergerichtlichen Auslagen 5 % auferlegt werden; im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nicht statt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die jeweils vollstreckende Gegenseite leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch auf angemessenes Schmerzensgeld, nicht unter 100.000 EUR, und auf Feststellung der Ersatzpflicht des ihm entstandenen materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Anlass ist ein Arbeitsunfall, der sich am 30.3.2001 ereignet hat. Der Arbeitgeber des Klägers (künftig Arbeitgeber oder Mieter genannt), der ein Einzelunternehmen der Kälte- und Klimatechnik betreibt, hatte von der Beklagten zu 1), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter und Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) sind, eine mobile, als Pkw-Anhänger ausgebildete Hubarbeitsbühne gemietet, und zwar unter Einbeziehung der von der Beklagten zu 1) gestellten "Allgemeinen Bedingungen für die Vermietung von Hubarbeitsbühnen" (künftig AGB). Der Arbeitgeber setzte das erstmals im Oktober 1994 zugelassene Arbeitsgerät des Fabrikats Fischler FH 1200 am Unfalltag auf dem Betriebsgelände eines Kunden ein, um ein auf dem Dach des dortigen Betriebsgebäudes befindliches Klimagerät auszutauschen. Der Kläger war mit der Führung der Hubarbeitsbühne beauftragt. Gegen 13.45 Uhr transportierte er das demontierte und außen am Lastaufnahmemittel (Arbeitskorb) befestigte Klimagerät vom Dach. Während der Absenkung brach der untere Hubarm der Arbeitsbühne. Der mit dem Kläger und dem Arbeitgeber besetzte Arbeitskorb stürzte aus einer Höhe von ca. 10 m ab. Beide Personen erlitten schwere Verletzungen, an deren Folgen der Kläger noch heute leidet und voraussichtlich lebenslang leiden wird.

Die Arbeitsbühne hatte im Bereich der Anlenkung des unteren Hubarms konstruktive und fertigungstechnische Fehler des Stahlbaus (künftig Konstruktionsfehler genannt), nämlich

  • ein Ausbrennen des Hubarmhalters ohne saubere Kantenverarbeitung,
  • eine Profilschwächung im hoch beanspruchten Bereich,
  • eine plötzliche Querschnittsänderung mit Schweißnahtauslauf und
  • einen Steifigkeitssprung vom relativ biege- und torsionsweichen offenen Hubarmhalterprofil zum wesentlich verstärkten Anlenkungsbereich,

deren Zusammenwirken im Einsatz der Hebebühne zu extremer Kerbwirkung bei lokaler Spannungserhöhung und schließlich zum Bruch des Hubarms führte. Der Konstruktionsfehler war weder bei der Baumusterprüfung und der Erstabnahme durch den TÜV noch bei den jährlich wiederkehrenden Prüfungen durch Sachkundige (künftig Jahresprüfungen genannt) aufgefallen. Der Hubarmhalter hatte schon bei Mietvertragsabschluss Anrisse, die jedoch augenscheinlich nicht zu erkennen waren. Der mittlere Hubarm ist nachträglich mit einem Schutzblech versehen worden. Mit der Durchführung der beiden letzten Jahresprüfunge...

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