Leitsatz (amtlich)
1. Der Verstoß gegen eine Konkurrenzschutzklausel in einem Mietvertrag stellt einen Mietmangel gem. § 536 Abs. 1 BGB dar.
2. Ein Vermieter verstößt nicht gegen eine individualvertraglich vereinbarte Konkurrenzschutzklausel im Mietvertrag, welche eine Vermietung an Unternehmen untersagt, "die mit dem Geschäftsbereich des Mieters direkt konkurrieren", wenn der Mieter eine physiotherapeutische Praxis betreibt und der Vermieter nachfolgend Räume an einen Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt amerikanische Chiropraktik vermietet. Denn der vereinbarte Konkurrenzschutz erfasst nicht sämtliche Tätigkeiten, die in therapeutischen Einwirkungen auf den Bewegungsapparat bestehen.
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 4 O 244/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. Februar 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve unter Zurückweisung der Berufung hinsichtlich eines Teils des Zinsanspruchs wie folgt abgeändert:
Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin EUR 32.970,00 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 31.400,00 seit dem 1. September 2021 und aus EUR 1.570,00 seit dem 4. September 2021 zu zahlen. Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin EUR 32.970,00 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 31.400,00 seit dem 1. September 2021 und aus EUR 1.570,00 seit dem 4. September 2021 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagten zu 1 und 2 je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten zu 1 und 2 wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung iHv 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Gründe
I. Am 26. Oktober 2010 schlossen die Parteien einen Gewerbemietvertrag über Räumlichkeiten auf dem im Eigentum der Klägerin (Vermieterin) stehenden "..." in M (Anl. K2, GA 11-20). Die Beklagten mieteten eine Fläche von rund 650 m2 und 54 Stellplätze zu einer Gesamtnettomiete von monatlich EUR 6.280,00 zum Betrieb einer physiotherapeutischen Praxis an. In § 19 enthält der Mietvertrag eine - individuell ausgehandelte - Konkurrenzschutzklausel mit folgendem Wortlaut:
"Konkurrenzschutz wird in folgendem Umfange vereinbart:
Der Vermieter verpflichtet sich, auf dem Gelände ... keine Räume an Unternehmen bzw. Personen zu vermieten oder zu überlassen oder eine Überlassung zu dulden, die mit dem Geschäftsbereich des Mieters direkt konkurrieren. Damit ist der Betrieb einer weiteren gleichartigen physiotherapeutischen Praxis nicht zulässig."
Mit Mietvertrag vom 10. Dezember 2017 (Anl. K3, Auszug, GA 21-22) vermietete die Klägerin auf dem Areal Räumlichkeiten an Frau P (im folgenden P). In diesem wohnt P und betreibt eine Heilpraktikerpraxis mit dem Schwerpunkt amerikanische Chiropraktik.
Seit Februar 2018 minderten die Beklagten die Nettomiete um 25 % monatlich (EUR 1.570,00) unter Berufung auf eine Verletzung der Konkurrenzschutzvereinbarung durch die Vermietung an P. Die Klägerin nahm die Beklagten vor dem Amtsgericht ... auf Zahlung der Differenz zu den vollständigen Mieten für Februar und März 2018 in Anspruch (Az. 562 C 89/18). Das Amtsgericht wies die Klage ab, in dem sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem LG ... (Az. 6 S 93/18) wurde die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Nachfolgend ging die Klägerin gegen P vor dem Landgericht ... vor (Az. 2 O 124/20) und war ebenfalls unterlegen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung wurde mit Beschluss des Senats vom 13. August 2021 zurückgewiesen (Beiakte, I-24 U 14/21, S. 339ff.). Die genannten Verfahrensakten waren vom Landgericht beigezogen worden und liegen vor.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Vermietung an P verstoße nicht gegen die Konkurrenzschutzklausel. Der den Beklagten gewährte Schutz vor "direkter Konkurrenz" umfasse nur eine Vermietung an eine andere physiotherapeutische Praxis. Davon unterscheide sich die von der Heilpraktikerin P mit dem Schwerpunkt amerikanische Chiropraktik ausgeübte Tätigkeit. P verwende alternative medizinische Behandlungsmethoden, die zudem nicht über die Krankenkassen abgerechnet werden könnten. Ihre Behandlung hätte das Ziel, Kommunikationsstörungen zwischen Gehirn und den der Bewegung und Stützung des menschlichen Körpers dienenden Körperteile, insbesondere der Wirbelsäule, zu finden und durch sanfte äußere Eingriffe zu beseitigen. Die von den Beklagten betriebene Physiotherapie sei davon grund- und wesensverschieden und bediene sich eines spezifischen Trainings, unter anderem unter Verwendung vielfältiger Geräte. Während die Beklagten mehrere Angestellte und eine große Fläche mit vielen Stellplätzen zur Verfügung hätten, sei P lediglich allein tätig und könne täglich nur 3 oder 4 Patienten behandeln. Der Betrieb der Beklagten sei zudem jederzeit voll ausgelastet gewesen un...