Tenor
Die Nebenbetroffene HDI-Gerling Industrie Versicherung AG wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Durch Bußgeldbescheid vom 17. März 2005, zugestellt am 29. März 2005, hat das Bundeskartellamt gegen die Gerling-Konzern Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft (nachfolgend: GKA AG) folgende Geldbußen festgesetzt:
Eine Geldbuße in Höhe von 18.500.000,00 € hat das Amt als Nebenfolge gemäß § 30 OWiG darauf gestützt, dass das damals verantwortliche Vorstandsmitglied der GKA AG, Herr Z., ab 01.07.1999 bis Mitte 2002 an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Rahmen eines komplexen Kartells zur Festsetzung von Maßnahmen zu Prämienerhöhungen und/oder Bedingungsangleichungen in der industriellen Sachversicherung (Feuer-Industrie, Feuer-Betriebsunterbrechung, Extended Coverage sowie All-Risk) und Technischen Versicherung (TV) beteiligt gewesen sei und zudem bewirkt oder billigend in Kauf genommen habe, dass sich weitere Führungskräfte der GKA AG sowie Führungskräfte der Gerling-Industrie-Service Zentren in differenzierten Absprachekreisen an entsprechenden wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und/oder Verhaltensabstimmung beteiligt hätten.
Daneben hat das Bundeskartellamt gegen die GKA AG eine weitere Geldbuße Höhe von 350.000,00 € im selbständigen Verfahren nach §§ 30 Abs. 4, 9 OWiG darauf gestützt, dass der für die Transportversicherung verantwortliche Abteilungsdirektor GIS, Herr B., an der Durchführung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen im Rahmen der Transportversicherung zur Durchsetzung ertragsverbessernder Maßnahmen unter Berücksichtigung eines weitgehenden Bestandsschutzes des führenden Versicherers beteiligt gewesen sei.
Die GKA AG hat hiergegen mit dem am 06. April 2005 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Nachdem die GKA AG - rechtswirksam seit dem 24. September 2007 - auf die HDI Industrie Versicherung, seither unter HDI-Gerling Industrie Versicherung AG (nachfolgend: HGI) firmierend, verschmolzen war, richtete sich das Kartell-Bußgeldverfahren nunmehr gegen die HGI als Rechtsnachfolgerin der GKA AG.
In der Sache war die Nebenbetroffene jedoch aus rechtlichen Gründen freizusprechen, weil die vorgeworfenen Kartellordnungswidrigkeiten der damals für die Rechtsvorgängerin handelnden Repräsentanten nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 OWiG nicht der Nebenbetroffenen als Gesamtrechtsnachfolgerin der GKA AG zugerechnet werden können.
I.
Nach den in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen stellt sich der zur Gesamtrechtsnachfolge führende sowie daraus resultierende Sachverhalt wie folgt dar:
Die Gerling-Konzern Versicherungsbeteiligungs AG, die damalige Obergesellschaft des Gerlingkonzerns, verkaufte und übertrug mit Rechtswirksamkeit ab Mai 2006 sämtliche Geschäftsanteile an der von ihr zu 100 % gehaltenen Gerling Beteiligungs-Gesellschaft mbH an die Talanx AG.
In der Gerling Beteiligungs-Gesellschaft mbH war das operative Geschäft des Gerlingkonzerns zusammengefasst. Unter anderem war die GmbH zu etwa 65 % an der GKA AG beteiligt. Unter der GKA AG wurde über eigene Niederlassungen sowie Tochtergesellschaften das wesentliche in- und ausländische Sachversicherungsgeschäft Gerlings betrieben.
Die Talanx AG ist eine zu 100 % vom HDI Va.G. gehaltene Holdinggesellschaft, die das operative Versicherungsgeschäft zunächst über verschiedene Tochterunternehmen, unter anderem über die HDI Industrie Versicherung AG, betrieb.
In der gesamten Sachversicherung für Industriekunden verfügten zum damaligen Zeitpunkt die Talanxgruppe über einen Marktanteil von 9 % und die Gerlinggruppe über einen Marktanteil von 8 %. Die mit der Prüfung des Zusammenschlussvorhabens befasste Kommission der Europäischen Gemeinschaften erwartete daher, dass das Gemeinschaftsunternehmen mit einem Marktanteil von 17 % Marktführer wird.
Die Eingliederung des übernommenen operativen Gerlinggeschäfts in die Talanxkonzern-Struktur erfolgte von vornherein unter der Zielsetzung, eine neue Konzernstruktur mit schlüssiger Abgrenzung der Kundensegmente zwischen den einzelnen operativ tätigen Konzerngesellschaften zu gestalten. Hierbei wurden im Vorfeld der späteren Verschmelzung bereits Mitte 2006 verschiedene Umstrukturierungsstrategien erwogen, die sich im Wesentlichen in zwei Vorgehensweisen unterschieden:
Entweder sollte die GKA AG als eigenständiges Unternehmen unter Beibehaltung der Altbestände, aber Ausrichtung des Neugeschäfts an der neuen Segmentabgrenzung im Konzern fortgeführt werden. Oder sie sollte als übertragender oder übernehmender Rechtsträger mit der HDI Industrie Versicherung AG verschmolzen und das so entstandene Unternehmen sodann auf einen reinen Industriesachversicherer zurückgeführt werden, indem die nicht zum Industrieversicherungsgeschäft gehörenden Teilbestände entsprechend der Segmentzuordnung im Konzern auf andere Konzerngesellschaften übertragen werden sollten.
Letztlich wurde die Konzernumstrukturierung, ohne das...