Entscheidungsstichwort (Thema)
Weisungsrecht des Facharztes ggü. Assistenzarzt
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Assistenzarzt, der von dem ihn ausbildenden Facharzt angewiesen wird, eine bestimmte Behandlungsmethode durchzuführen, hat dieser Anweisung in der Regel Folge zu leisten und darf sich grundsätzlich auf die Richtigkeit der von dem Facharzt getroffenen Entscheidung verlassen. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich dem Assistenzarzt nach den bei ihm vorauszusetzenden Fähigkeiten und Kenntnissen Bedenken gegen die Sachgemäßheit des von dem Facharzt angeordneten Vorgehens aufdrängen müssen.
2. Wenn zur Korrektur einer dislozierten Radiusbasisfraktur grundsätzlich sowohl eine konservative Behandlung als auch eine chirurgische Versorgung in Betracht kommen, die - mit der Gefahr einer Entzündung verbundene - Operation aber die besseren Wiederherstellungschancen bietet, sind die unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten sowie ihre jeweiligen Chancen und Risiken vor der Behandlung mit dem Patienten zu erörtern.
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 06.02.2002; Aktenzeichen 2 O 3/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 2) und unter Zurückweisung der Berufungen der Klägerin sowie der Beklagten zu 1) wird das am 6.2.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Kleve teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 250 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 19.1.2000 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden aus der fehlerhaften Behandlung vom 2.7.1998 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten in beiden Instanzen werden zu 70 % der Klägerin und zu 30 % der Beklagten zu 1) auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) in beiden Instanzen trägt die Klägerin; die Beklagte zu 1) trägt 30 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am 18.11.1943 geborene Klägerin verletzte sich anlässlich eines häuslichen Unfalles am 2.7.1998 das linke Handgelenk. Sie begab sich als Kassenpatientin in das St. J. Krankenhaus in M., dessen Träger die Beklagte zu 1) ist und wurde in der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie untersucht. Aufgrund einer Röntgenaufnahme des linken Handgelenkes in zwei Ebenen wurde eine distale nach streckseitig dislozierte Radiusbasisfraktur diagnostiziert. Der Beklagte zu 2), der damals als Assistenzarzt in der Klinik der Beklagten zu 1) tätig war, erörterte die Röntgenbilder mit dem Chefarzt der unfallchirurgischen Abteilung, Dr. W., und leitete gemäß der Entscheidung des Chefarztes eine konservative Therapie ein. Zunächst wurde der Arm der Patientin in einem sog. Mädchenfänger ausgehängt; danach erfolgte eine geschlossene Reposition unter Röntgendurchleuchtung; diese Reposition gelang erst nach mehreren Versuchen und wurde ohne Anästhesie durchgeführt. Die Patientin wurde mit einem zirkulären Unterarmgips zur Ruhigstellung versorgt und dann aus ärztlicher Betreuung entlassen. Im Arztbrief vom 3.7.1998 an den Orthopäden Dr. R. bat Dr. W. um engmaschige Röntgenuntersuchungen zur Kontrolle des Repositionsergebnisses, des Weiteren heißt es dort: "Bei eintretender Sekundär-Dislozierung bitten wir um entsprechende erneute Korrektur, ggf. operative Versorgung angezeigt." Die Klägerin begab sich in die Behandlung des Beklagten zu 3), der am 7., 13. und 17.7. Röntgenkontrollen durchführte; bei der letztgenannten Untersuchung stellte er ausweislich seiner Dokumentation eine Verschiebung des distalen Fragmentes von 10 ° fest. Er überwies die Patientin zu weiteren Kontrolluntersuchungen unter Übergabe der bisher von ihm gefertigten Röntgenaufnahmen in die Klinik der Beklagten zu 1), wo diese sich am 23.7.1998 bei Dr. W. vorstellte, der eine Dorsalabkippung des Gelenkwinkels seitlich um 15 ° diagnostizierte. Man entschloss sich zu einem weiteren konservativen Vorgehen und versorgte die Klägerin mit einem neuen Kunststoffgips. Anlässlich der nächsten Untersuchung im St. J. Krankenhaus zeigte sich auf der angefertigten Röntgenaufnahme nach der Dokumentation der Beklagten zu 1) eine Dorsalabkippung um 20 %. Anfang August fuhr die Klägerin in Urlaub und ließ im Kreiskrankenhaus N./O. am 12.8.1998 eine erneute Röntgenkontrolle vornehmen; diese ergab nach dem Bericht der Klinik vom selben Tage eine Abkippung des distalen Radiusfragmentes um 30 ° nach dorsal.
Die Klägerin macht Ersatzansprüche geltend. Sie hat vorgetragen, die konservative Versorgung des Bruches durch den Beklagten zu 2) sei fehlerhaft gewesen; da auch ein Abriss der Spitze des Griffelfortsatzes der Elle vorgelegen habe - was ärztlicherseits verkannt worden sei - sei eine operative Einrichtung des Bruches indiziert gewesen. Überdies sei es dem Beklagten zu 2) als Fehler an...