Leitsatz (amtlich)
1. Ist dem Auftragnehmer im Rahmen eines vorzeitig beendeten Werkvertrages die Erstellung eines Aufmaßes nicht mehr möglich, genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen bzw. Hilfstatsachen (z.B. auch Materialaufstellungen, Rückschlüsse aus dem vom Auftraggeber geltend gemachten Fertigstellungsaufwand o.ä.) vorträgt, die dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen den Mindestaufwand des Auftragnehmers zur Ausführung der Werkleistungen gemäß § 287 ZPO zu schätzen.
2. Der Umstand zweifelhafter Rechtskraftwirkungen eines angefochtenen Urteils (hier durch die Formulierung: "Mangels substantiierter Darlegung der erbrachten Leistungen und mangels prüffähiger Abrechnung ...") kann sich als eigenständiger Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens i.S.v. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO darstellen.
3. Fehlende Prüfbarkeit darf keinesfalls gleichgesetzt werden mit der Frage der tatsächlichen Unrichtigkeit der Abrechnung. Es besteht ein zwingender Vorrang der Klärung der Prüffähigkeit gegenüber der Schlüssigkeits-/Erheblichkeits-/Richtigkeitsprüfung einer Schlussrechnung.
4. Im Zivilprozessrecht führt eine nicht prüfbare Schlussrechnung zur Abweisung einer Klage auf Restwerklohn als (nur) derzeit unbegründet, wobei das Urteil diesen Vorbehalt im Sinne insoweit eingeschränkter Rechtskraft (sei es im Tenor oder sei es zumindest in den Gründen) enthalten muss und damit die Möglichkeit einer erneuten Geltendmachung der Werklohnforderung begründet.
5. Bei einer Klage des Auftraggebers auf Erstattung überzahlter Abschlagszahlungen fehlt der Aufrechnungsforderung des Werkunternehmers bei fehlender Prüfbarkeit seiner Schlussrechnung (nur) die Fälligkeit, so dass der Erstattungsklage des Auftraggebers mit dieser (eingeschränkten) Begründung stattzugeben ist, dem beklagten Werkunternehmer die spätere aktive Geltendmachung seiner Restwerklohnforderung vorbehalten bleibt und § 322 Abs. 2 ZPO insoweit nicht greift.
6. Ein Auftraggeber kann sich nicht (mehr) auf die fehlende Prüfbarkeit einer Schlussrechnung berufen, wenn er sie mit Erfolg geprüft hat und (ggf. mit Sach-/Fachkunde Dritter) in der Lage war, angebliche Unrichtigkeiten der Schlussrechnung aufzuzeigen. Es ist unerheblich, ob der Auftraggeber dabei ggf. "überobligatorisch" gehandelt und Obliegenheiten des Auftragnehmers erledigt hat.
7. Ist ein Pauschalpreis auf Basis eines Einheitspreisangebots ermittelt worden, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die anteilige Abrechnung im Rahmen eines vorzeitig beendeten Pauschalvertrages daran orientiert.
8. Über eine Anschlussberufung ist nicht zu entscheiden, wenn sie unter die statthafte innerprozessuale (Rechts-)Bedingung gestellt worden ist, dass das Berufungsgericht nicht gemäß § 538 Abs. 2 ZPO verfahren wird.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 5 O 72/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 31.10.2018 - einschließlich des ihm zugrundeliegenden Verfahrens - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Krefeld zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung einer von ihr - auf Basis eines Berichts L., der die erbrachten Leistungen mit 158.573,24 EUR netto bzw. 188.702,15 EUR ermittelt bzw. bewertet hat - mit 168.297,84 EUR bezifferten Überzahlung in Bezug auf von ihr im Rahmen eines Bauvertrages der Parteien vom 24.01.2017 über die Gewerke Heizung/Lüftung/Sanitär an einem Bauvorhaben in K. (M. Straße 1) an die Beklagte geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 357.000,00 EUR brutto.
Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage in vollständiger Höhe von 168.297,84 EUR nebst Zinsen entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten ein werkvertraglicher Anspruch auf Rückerstattung geleisteter á-conto-Zahlungen in tenorierter Höhe zu.
1. Die Klägerin habe einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung eines Überschusses in tenorierter Höhe nach Leistung von Abschlagszahlungen schlüssig dargetan.
Die Parteien hätten in ihrem Bauvertrag die Leistung von Abschlagszahlungen vereinbart. Aus einer derartigen, in Bauverträgen üblichen Zahlungsvereinbarung folgten verschiedene vertragliche Pflichten, ohne dass diese in dem Vertrag noch nähere Erwähnung finden müssten. Dazu gehöre auch die Verpflichtung des Auftragnehmers, seine Leistungen abzurechnen und einen Überschuss an den Auftraggeber auszuzahlen (BGH MDR 1999, 671 f). Grundsätzlich habe der Auftragnehmer die endgültige Vergütung durch eine Schlussabrechnung festzustellen. Wenn die Summe der Voraus- und Abschlagszahlungen die dem Auftragnehmer zustehende Gesamtvergütung übersteige, sei d...