Leitsatz (amtlich)

Wird die Arbeitskraft eines Architekten einseitig durch einen Bauträger gebunden und gerät er dadurch in eine wirtschaftliche Abhängigkeit, kann ein Ausnahmefall i.S.d. § 4 Abs. 2 HOAI (Fassung 1996) vorliegen, der die Unterschreitung der Mindestsätze rechtfertigt, wenn diese enge Zusammenarbeit eine Qualität hat, die die Unterschreitung der Mindestsätze kompensiert. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitsaufwand aufgrund von Synergieeffekten geringer ist oder eine stabile soziale Absicherung mit der Tätigkeit verbunden ist.

Gerade Ingenieure, die eine dauerhafte Zusammenarbeit auf der Basis von zu niedrigen Honorarsätzen anbieten und praktizieren, setzen sich in gesteigertem Maß der Gefahr unauskömmlicher Honorierung aus (vgl. BGH NJW 2012, 848 ff) und verdienen den Schutz des Preisrechts der HOAI.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 05.06.2014; Aktenzeichen 18c O 87/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05.06.2014 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 18c. Zivilkammer des LG Düsseldorf als Einzelrichter unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 56.638,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 67 % und die Beklagte 33 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Zwangsvollstreckung des Gegners gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn der jeweilige Gegner nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter des Architekten V. R. die Beklagte auf Zahlung von Architektenhonorar in Höhe von 171.506,36 EUR aus der Schlussrechnung des Insolvenzschuldners vom 26.03.2009 in Anspruch. Dieser liegen Architektenleistungen zugrunde, die der Insolvenzschuldner für zwei Bürogebäude im Rahmen des Bauvorhabens G.-Straße/L.-Straße in K. erbracht hat. Die Beklagte ist gemeinsam mit ihrem Ehemann W. Sch... Gesellschafterin der W.-Bauträger GmbH (im Folgenden WI.), für die der Insolvenzschuldner seit dem Jahr 1998 in erheblichem Umfang tätig war.

Der Insolvenzschuldner und die Beklagte hatten unter dem 03./05.01.2008 einen schriftlichen Vertrag geschlossen, der ein Pauschalhonorar von 117.000,-- EUR für die Leistungsphasen 1-8 vorsah. Auf "Planung, Baugesuch und Werkplanung" sollte ein Anteil von 61.000,-- EUR entfallen. Nach Erbringung der Leistungsphase 4 hat die Beklagte von einem im Vertrag unter Ziffer 1.4.2 eingeräumten ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Wenn die Maßnahme weitergeführt wird, sollte der Architekt nach der genannten Bestimmung Anspruch auf Beauftragung mindestens der Leistungsphase 5 und der baukünstlerischen Überwachung haben. Unter dem 11.12.2008 kündigte die Beklagte die Zusammenarbeit. Die von den vertraglichen Regelungen erfassten Bürogebäude wurden in der Folgezeit errichtet. Die Beklagte hat an den Insolvenzschuldner insgesamt 40.000,-- EUR an Vergütung gezahlt.

Wegen der Prozessgeschichte und der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat durch Urteil vom 05.06.2014 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger einen weiteren Vergütungsanspruch gemäß §§ 631, 632 Abs. 2 BGB, 10 ff. HOAI 1996 i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO gegen die Beklagte angesichts der wirksamen Pauschalhonorarvereinbarung und der wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertrages notwendigen Verhältnisrechnung nicht dargetan habe. Für die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung könne dahinstehen, ob der in dem Vertrag angeführte Festbetrag eine Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI um rund 35 % beinhalte, da eine solche Unterschreitung jedenfalls gemäß § 4 Abs. 2 HOAI a.F. dann zulässig sei, wenn sich das Vertragsverhältnis deutlich von den übrigen Vertragskonstellationen unterscheide und deswegen ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar gleichwohl angemessen erscheine. Dies sei bei einer ständigen Geschäftsbeziehung gegeben, durch die für den Auftraggeber eine gewisse Sicherheit und Stabilität begründet und darüber hinaus dem Auftragnehmer die Leistung durch Teilleistung oder auch Koordinationstätigkeiten erleichtert worden sei. Dabei habe der BGH zwar die Voraussetzungen bei einer langjährigen Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Aufträgen, deren Anteil am Jahresumsatz von bis zu 20 % gelegen habe, noch nicht ausreichen lassen. Hier hätten die Anteile der Aufträge der Beklagten bzw. des von ihrem Ehemann vertretenen Bauunternehmens an den Jahresumsätzen des Insolvenzschuldners in der Zeit von 1999-2007 durchschnittlich deutlich 50 % überstiegen, was ...

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