Leitsatz (amtlich)
1. Erhebt der Rechtsanwalt eine den Wert von 5.000 Euro übersteigende Räumungsklage bei dem gem. §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich unzuständigen AG, verstößt er hiermit gegen den Grundsatz des sichersten Weges.
2. Für einen dem Vermieter durch die hierdurch bedingte Verzögerung entstandenen Vermögensschaden (hier: Mietausfall für 5 1/2 Monate; Anwaltshonorar) hat der Rechtsanwalt gem. § 249 BGB einzustehen.
3. Verfahrensrechtlich ist für die Berechnung des Schadens von den Verhältnissen zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung auszugehen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 25.05.2004; Aktenzeichen 2a O 37/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.2.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2a. Zivilkammer des LG Düsseldorf unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.750,47 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.2.2003 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 41 %, die Beklagte zu 59 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin i.H.v. 11.500,47 Euro wegen anwaltlicher Pflichtverletzung bei der Vertretung der Klägerin durch die Beklagte im Verfahren 10 O 588/01 LG Düsseldorf. Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (GA 106 ff.). Das LG hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 4.519,83 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.2.2003 verurteilt. Hiergegen richten sich die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten, mit der die Parteien ihre erstinstanzlichen Klageanträge im Umfang ihres Unterliegens weiterverfolgen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin, mit der diese über den zuerkannten Betrag von 4.519,83 Euro hinaus die Zahlung weiterer 6.980,64 Euro verlangt, hat teilweise i.H.v. 2.230,64 Euro Erfolg, so dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch i.H.v. insgesamt 6.750,47 Euro zusteht. Die Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet. Das beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:
1. Mit dem LG ist davon auszugehen, dass die Beklagte der Klägerin wegen schuldhafter Verletzung ihrer anwaltlichen Pflichten auf Schadensersatz haftet, §§ 611, 675, 278, 276, 249 BGB. Mit der Einreichung der den Wert von 5.000 Euro übersteigenden Räumungsklage bei dem gem. §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich unzuständigen AG Düsseldorf hat die Beklagte gegen den Grundsatz des sichersten Weges verstoßen. Dieser verpflichtet den Anwalt von mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten der Prozessführung diejenige auszuwählen, die für seinen Auftraggeber mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führt. In Anwendung dieser Grundsätze durfte die Beklagte sich nicht darauf verlassen, dass die ehemalige Mieterin sich rügelos auf die wegen Unzuständigkeit des AG unzulässige Räumungsklage einlassen würde, sondern sie bzw. ihre freie Mitarbeiterin, für deren Verschulden die Beklagte gem. § 278 BGB haftet, hätte die Klage von vornherein bei dem gem. § 71 GVG zuständigen LG Düsseldorf einreichen müssen. Für den der Klägerin durch die hierdurch bedingte Verzögerung entstandenen Vermögensschaden hat die Beklagte einzustehen.
Gemäß § 249 BGB kann die Klägerin Ersatz ihres Mietausfallschadens für insgesamt 5 1/2 Monate in Höhe eines Gesamtbetrages von 6.050 Euro (= 5 1/2 × 1.100 Euro ohne Nebenkostenvorauszahlungen) verlangen. Darüber hinaus ist die Beklagte gem. §§ 628, 347 BGB a.F. wegen der von ihr zu vertretenden Mandatskündigung zur Rückzahlung des i.H.v. 700,47 Euro erhaltenen Vorschusses verpflichtet.
2. Ob und inwieweit ein nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Diese sog. Differenzhypothese umfasst das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht worden ist, d.h. ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen. Handelt es sich - wie auch im vorliegenden Fall - um die Schlechterfüllung eines Vertrags, so liegt der Schaden in der Differenz zwischen der vorhandenen Vermögenslage und derjenigen, die bei weiterer ordnungsgemäßer Erfüllung eingetreten wäre. Dementsprechend geht der Anspruch auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung dahin, den Geschädigten vermögensmäßig so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrags gestanden hätte, d.h. nicht schlechter, aber auch nicht besser (BGH NJW 2000, 496 [498] m.w.N.).
Hätte die Beklagte die Räumungsklage statt beim AG sofort beim LG Düsseldorf e...