Leitsatz (amtlich)
Gegen Anspruch des Mandanten auf Auszahlung von Fremdgeldern darf der Rechtsanwalt ausnahmsweise mit der Honorarforderung aus einem anderen Mandat aufrechnen, wenn diese zeitgleich fällig geworden ist.
Normenkette
BGB §§ 611, 675, 667, 387, 242; RVG § 10 (BRAGO a.F. § 18)
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 02.07.2007; Aktenzeichen 3 O 234/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2.7.2007 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichterin - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.938,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2006 zu zahlen.
Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird, ist die Klägerin mit ihrer auf Geldherausgabe (6.938,35 EUR nebst Zinsen) gerichteten, auf eine unbestritten gebliebene Forderung gestützten Klage abgewiesen worden, und zwar allein mit Rücksicht auf die vom beklagten Rechtsanwalt nachrangig erklärte Aufrechnung mit einer den Klageanspruch übersteigenden Honorarforderung (vgl. Kostennote vom 21.05.2005 über 8.365,92 EUR in der "Angelegenheit A"" künftig: Gegenforderung).
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie die Abweisung der Klage bekämpft. Sie bestreitet die Gegenforderung nach Grund und Höhe und ist der Ansicht, die Aufrechnung sei jedenfalls treuwidrig und im Übrigen im ersten Rechtszug verspätet erklärt worden.
Sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.938,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte, der die landgerichtliche Abweisung der von ihm vorrangig zur Aufrechnung gestellten weiteren neun Gegenforderungen (Honorare und Auslagen) in einer Gesamthöhe von (4.091,28 EUR+2.128,72 EUR) 6.220 EUR nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen hat, bittet um Zurückweisung der Berufung.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
B.I. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Das LG hat zu Unrecht angenommen, der Beklagte könne mit der Honorarforderung aus der "Angelegenheit A" gegen den Herausgabeanspruch aufrechnen; die erklärte Aufrechnung ist unzulässig.
1. Dem Rechtsanwalt, der vom Mandanten auf die Herausgabe von Fremdgeld in Anspruch genommen wird (§§ 675, 667 BGB), ist die Aufrechnung mit Honoraransprüchen aus auftragsfremden Angelegenheiten nur dann gestattet, wenn ein solches Vorgehen nicht gegen Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) verstößt (vgl. BGH NJW 1978, 1807, 1808 sub I. 2b; 1995, 1425, 1426 sub II.1b; 2003, 140, 142 sub II. 4c, bb; 2005, 2927 sub III; 2007, 2640, 2641).
2. Im Streitfall liegt ein solcher Verstoß vor. Denn der Beklagte hat die Aufrechnungslage durch Vertragsverstöße hergestellt.
I. Die von der Klägerin schon in der Klageschrift dargestellte, vom Beklagten im ersten Rechtszug nicht bestrittene Abrechnungspraxis ist rechts- und vertragswidrig. Das Fremdgeld war bei dem Beklagten nach eigenem Vorbringen am 3.12.2003 eingegangen. Er hatte die Klägerin davon weder unverzüglich unterrichtet, noch hatte er das Fremdgeld unverzüglich, d.h. spätestens nach zwei Wochen an sie ausgekehrt (vgl. BGH AnwBl. 2005, 716 = MDR 2006, 231 sub III.1b) oder in feststellbarer Weise auf ein für sie einzurichtendes Anderkonto eingezahlt (vgl. § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO), noch hatte er mit zu diesem Zeitpunkt fälligen und abgerechneten Gegenforderungen die Aufrechnung erklärt. Selbst wenn seine erst im zweiten Rechtszug aufgestellte Behauptung zutreffen sollte, die Klägerin von der Beitreibung der Forderung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher am 5.12.2003 unterrichtet zu haben, fehlen die unverzügliche Mitteilung vom Geldeingang und die geschuldete Abrechnung des Fremdgeldes. Seine erst jetzt im zweiten Rechtszug aufgestellte Behauptung, er habe abgerechnet, ist unsubstantiiert; er legt weder die Abrechnung vor, noch nennt er das Datum der behaupteten Rechnungslegung. Auch trägt er nicht vor, wann er sie der Klägerin übermittelt haben will, so dass es auf die Präklusion dieses bestrittenen Vortrags im Berufungsrechtszug (§§ 529, 531 ZPO) nicht mehr ankommt. Auch nachdem die erst durch eigene Ermittlungen inzwischen vom Geldeingang unterrichtete Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 2.9.2004 aufgefordert hatte, das eingezogene Geld herauszugeben, erfolgte keine Abrechnung. Das geschah in feststellbarer Weise vielmehr erst mit Schriftsatz vom 1.2.2006.
II. Erst durch dieses vertragswidrige Vorgehen ist es dem Beklagten gelungen, die Aufrechnungslage herzustellen. Die hier relevante Gegenforderung aus der "Angelegenheit A" ist erst durch die Übersendung der unterzeichneten Kostennote vom 21.5.2005 gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BRAGO ein...