Leitsatz (amtlich)
1. Die gebotene funktionale Betrachtung darf zwar bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht. Dies setzt allerdings voraus, dass einem Begriff, der im Patentanspruch zur Beschreibung der räumlich-körperlichen Ausgestaltung des Erfindungsgegenstandes verwendet wird, eine so eindeutige Bedeutung bzw. ein so eindeutiger Inhalt zukommt, dass jegliche Ausgestaltung, die hiervon abweicht - auch dann, wenn sie ebenfalls zur Erfüllung der technischen Funktion des Merkmals geeignet ist - als nicht dem Wortsinn entsprechend anzusehen ist.
2. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns umfasst auch Zusatzgeschäfte, die zwar keine Benutzungshandlung i.S.v. § 9 PatG oder § 10 PatG darstellen, deren Abschluss aber in ursächlichem Zusammenhang mit patentverletzenden Handlungen steht und einen hinreichenden Bezug zu dem verletzenden Gegenstand aufweist. Ein solcher hinreichender Bezug besteht jedenfalls bei Geschäften über Verbrauchsmaterialien, die zur Verwendung mit einer patentverletzenden Vorrichtung bestimmt sind.
3. Für das Bestehen eines (akzessorischen) Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs nach §§ 242, 259 BGB in Bezug auf Verbrauchsmaterialien betreffende Geschäfte reicht es aus, dass sich aus diesen Geschäften ein Beitrag zum Verletzergewinn ergeben kann.
4. Die §§ 16, 19 GeschGehG finden auf die tenorierte Verpflichtung des Patentverletzers zur Auskunft und Rechnungslegung über seine unberechtigten Benutzungshandlungen keine Anwendung. Ein Anspruch auf verfahrensrechtlichen Geheimnisschutz kann auch nicht damit begründet werden, dass die zu erteilenden Informationen einer aus einem Auskunftsschuldverhältnis folgenden Zweckbindung unterlägen.
Normenkette
BGB §§ 242, 259; EPÜ Art. 64 Abs. 3, 1, Art. 69 Abs. 1; PartG § 140b Abs. 3; PatG §§ 9, 14, 139 Abs. 1-2, § 140a Abs. 3, § 140b Abs. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4a O 61/18) |
Tenor
A. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 18.06.2019 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
ein Spenderteil, das mindestens zwei Teilkomponenten aufweist, die jeweils durch eine Naht verbunden sind, wobei das Spenderteil eine erste spritzgegossene Kunststoffteilkomponente mit einer dazugehörigen ersten Verbindungsfläche entlang einer ersten Kante und eine zweite spritzgegossene Kunststoffteilkomponente mit einer dazugehörigen zweiten Verbindungsfläche aufweist, wobei die Naht durch die erste Verbindungsfläche und die zweite Verbindungsfläche während des Spritzgießens zum Verbinden der ersten Teilkomponente und der zweiten Teilkomponente, um das Spenderteil zu definieren, ausgebildet ist, wobei ein Querschnittsabschnitt der Naht mindestens eine Stufe und mindestens eine Kontaktfläche zwischen einer äußeren und einer inneren Fläche des Spenderteils aufweist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei der Querschnittsabschnitt der Naht eine erste Stufe aufweist, die an die äußere Fläche des Spenderteils angrenzt, wobei die erste Teilkomponente transparent ist und die zweite Teilkomponente undurchsichtig ist, wobei das Spenderteil abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um ein Spendergehäuse auszubilden, und wobei der hintere Spenderabschnitt eingerichtet ist, an einer vertikalen Fläche montiert zu sein;
wobei das erste Komponententeil ein MABS-Kunststoffteil ist und das zweite Komponententeil ein ABS-Kunststoffteil ist, sowohl das erste als auch das zweite Komponententeil eine vordere Fläche und eine erste und zweite Seitenfläche aufweisen, die jeweils eine von der vorderen Fläche abgewandte freie Seitenkante aufweisen, und sich die Naht von der abgewandten freien Seitenkante, die zu der ersten Seitenfläche gehört, über zumindest einen Teil der vorderen Fläche des Spenderteils zu der abgewandten freien Seitenkante erstreckt, die zu der zweiten Seitenfläche gehört, und im Bereich der Naht eine führende Kante des zweiten Komponententeils derart angeordnet ist, dass sie das erste Komponententeil zum Verdecken der Naht überlappt;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22.06.2016 begang...