Leitsatz (amtlich)
1. Da das Verletzungsgericht an den Erteilungsakt - und folglich auch an dessen weiteres Schicksal im Rechtsbestandsverfahren - gebunden ist, ist es ausgeschlossen, im Verletzungsprozess eine Patentauslegung und/oder eine Schutzbereichsbestimmung vorzunehmen, mit denen solche Gegenstände, die dem Patentinhaber im Rechtsbestandsverfahren als Schutzgegenstand genommen worden sind, wieder in das Patent und seinen Schutz einbezogen werden. Anders als im Rahmen der äquivalenten Benutzung (vgl. dazu BGH, GRUR 2016, 921 - Pemetrexed) spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen - formellen oder materiellen - im Rechtsbestandsverfahren Patentgegenstände fallen gelassen worden sind.
2. Schützt das Klagepatent eine LED, die außer einem LED-Chip einen Leuchtstoff aufweist und ist die erteilte Anspruchsfassung im Rechtsbestandsverfahren dadurch beschränkt worden, dass es nicht mehr ausreicht, dass der Leuchtstoff einen Granatleuchtstoff bestimmter chemischer Konstitution "aufweist", sondern nunmehr gefordert ist, dass der Leuchtstoff ein Granatleuchtstoff der bestimmten chemischen Konstitution "ist", so bedeutet dies nicht zwingend, dass eine Ausführungsform außerhalb des Schutzbereichs bleibt, die abgesehen von dem patentgerechten Granatleuchtstoff weitere Nicht-Granatleuchtstoffe enthält.
3. Ein derartiger Schluss auf eine Nichtbenutzung ist nur erlaubt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Leuchtstoffe mit dem Teilwiderruf des Klagepatents abschließend auf Granatleuchtstoffe limitiert und jeder weitere Nicht-Granatleuchtstoff als erfindungsschädlich ausgeschlossen werden sollte.
4. Eine wortsinngemäße Patentbenutzung ist demgegenüber anzunehmen, wenn der Granatleuchtstoff bestimmter chemischer Zusammensetzung infolge des Teilwiderrufs deshalb gefordert ist, weil er für die Erfindungsvorteile verantwortlich ist, die sich mit einer beliebig kleinen Beimengung des Granatleuchtstoffs in einem vorwiegend anders konstituierten Nicht-Granatleuchtstoff nicht erzielen ließen, und die angegriffene Ausführungsform einen patentgerechten Granatleuchtstoff in ausreichender Menge enthält, um die patentgemäßen Wirkungen herbeizuführen, und die Erfindungswirkungen durch die Anwesenheit weiterer anderer Leuchtstoffe nicht verloren gehen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4b O 103/15) |
Tenor
I. Die Berufung gegen das am 15. Dezember 2016 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
1. sich die Verurteilung - nach Maßgabe der Fassung, die das Klagepatent durch die Einspruchsbeschwerdeentscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes vom 25.03.2022 erhalten hat - auf solche lichtemittierenden Bauelemente bezieht, deren Leuchtstoff ein mit Cer aktivierter Granatleuchtstoff ist, welcher mindestens ein aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm ausgewähltes Element und mindestens ein aus Al, Ga und In ausgewähltes Element enthält;
2. mit Wirkung zum 30.07.2017 die Erledigung des Rechtsstreits im Umfang des Unterlassungsanspruchs festgestellt wird,
3. der zuerkannte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch sich auf Benutzungshandlungen bezieht, die von der Beklagten in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 begangen worden sind,
4. die Rückrufverpflichtung für solche Erzeugnisse besteht, die in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 in den Verkehr gelangt und im Besitz gewerblicher Abnehmer sind,
5. die Pflicht zur Vernichtung in Bezug auf solche Erzeugnisse besteht, die in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 in den Besitz oder das Eigentum der Beklagten gelangt sind und sich dort nach wie vor befinden,
6. die festgestellte Schadenersatzpflicht für solche Schäden besteht, die durch Benutzungshandlungen in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 begangen worden sind.
II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents X XXX XXX, das aus einer europäischen Teilanmeldung der EP X XXX XXX A1 hervorgegangen ist und deren Anmeldetag vom 29.07.1997 sowie deren Prioritäten vom 29.07.1996 (JP XXXXXXXX), 17.09.1996 (JP XXXXXXXX), 18.09.1996 (JP XXXXXXXX), 27.12.1996 (JP XXXXXXXX) und 31.03.1997 (JP XXXXXXXX) in Anspruch nimmt. Die Verfahrenssprache des Klagepatents ist Englisch. Der Hinweis auf die Erteilung des - unter anderem für Deutschland geltenden und bis zum Ablauf seiner Schutzdauer am 29.07.2017 (während des Berufungsverfahrens) in Kraft stehenden - Klagepatents wurde am 08.07.2015 bekanntgemacht.
Das Klagepatent betrifft eine lichtemittierende Vorrichtung. Sein Anspruch 1 lautete in der ert...