Leitsatz (amtlich)
Es spricht keine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Ehefrau den Ehemann in einem gemeinschaftlichen Testament nur deswegen zu ihrem Erben eingesetzt hat, weil der Mann in demselben Testament zugunsten seiner erstehelichen, mit der zweiten Ehefrau nicht verwandten Kinder Verfügungen getroffen hat. § 2270 Abs. 2 BGB ist einschränkend dahin auszulegen, dass er die Personen nicht umfasst, die dem überlebenden Ehegatten noch näher stehen als dem Erstverstorbenen.
Normenkette
BGB § 2270 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 2 O 73/09) |
Tatbestand
Der Kläger ist das einzige Kind aus der ersten Ehe des Erblassers. Mit seiner zweiten Ehefrau hatte der Erblasser im Jahre 1975 ein handschriftliches Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben einsetzten, verfasst. Im Jahre 1980 ergänzten sie dieses Testament um die Verfügung, dass der Kläger nach dem Tod des Überlebenden uneingeschränkter Alleinerbe sein sollte.
Der Kläger nimmt die Beklagte, mit der der Erblasser nach dem Tod seiner zweiten Ehefrau im Jahre 1996 bis zu seinem Tod im Jahre 2007 befreundet war und überwiegend auch zusammenlebte, auf Herausgabe behaupteter Schenkungen in Anspruch. Die Parteien streiten über die Wechselbezüglichkeit der auf den Kläger bezogenen testamentarischen Verfügung und eine Benachteiligungsabsicht des Erblassers. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 184.211,81 EUR nebst Zinsen verurteilt. Es hat die Einsetzung des Klägers als Schlusserbe als wechselbezüglich und daher für den Erblasser bindend i.S.v. §§ 2271, 2270 BGB angesehen. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Herausgabe der Kontoguthaben als sein Erbe beeinträchtigende Schenkungen gem. § 2287 BGB verlangen. Diese Vorschrift, nach der der Vertragserbe ein Geschenk, das der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, gemacht hat, von dem Beschenkten nach Bereicherungsrecht heraus verlangen kann, ist auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen von Todes wegen entsprechend anwendbar und gilt damit auch für gemeinschaftliche Testamente (BGHZ 82, 274; Damrau-Krüger, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl., § 2287 Rz. 1; Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl. § 2271 Rz. 10). Im vorliegenden Fall ist die Einsetzung des Klägers zum Schlusserben in dem gemeinschaftlichen Testament seines Vaters und dessen zweiter Ehefrau vom 28.12.1980 jedoch entgegen der Auffassung des LG nicht wechselbezüglich und daher für den Erblasser nicht bindend gewesen, so dass dieser zu Lebzeiten frei über sein Vermögen - auch in der geschehenen Weise - verfügen konnte.
Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen und fallen soll (OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 307; OLG Hamm FamRZ 2004, 662; BayObLG FGPrax 2005, 164; Damrau-Klessinger, a.a.O., § 2270 Rz. 3).
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Die Frage, ob die vorverstorbene (zweite) Ehefrau des Erblassers ihn nur eingesetzt hat, damit dieser die in Rede stehende Schlusserbeneinsetzung verfüge, ist nach allgemeinen Auslegungsregeln zu beantworten, wobei die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB erst dann heranzuziehen ist, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel nicht zu beseitigen sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
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Als Indiz gegen eine Wechselbezüglichkeit im oben dargelegten Sinn ist vorliegend bereits der sich aus dem Testament selbst ergebende Umstand zu werten, dass die Eheleute sich bereits 5 Jahre zuvor durch Verfügung vom 29.4.1975 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten, und zwar unabhängig davon, wer gegebenenfalls Schlusserbe sein sollte. Desweiteren spricht dagegen, dass die Einsetzung des Erblassers als Erbe seiner Ehefrau nur noch mit Rücksicht auf seine Verfügung zugunsten des Klägers als Schlusserben gelten sollte, der Umstand, dass der Kläger ohnehin gesetzlicher Erbe des Erblassers gewesen ist und die Testierenden den Fall einer Wiederverheiratung des Erblassers offenbar nicht in Betracht gezogen haben und auch nicht regeln wollten. Vielmehr ging es den testierenden Ehegatten doch gerade um die Regelung des bei der Verfügung vom 29.4.1975 zuvor nicht bedachten Falles, dem Kläger bei Überleben der zweiten Ehefrau, mit der er nicht verwandt, sondern nur verschwägert gewesen ist, das Erbe zu sichern. Das wiederum spricht für eine Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung der Ehefrau durch den Erblasser, nicht aber für eine Wechselbezüglichkeit bei der Erbeinsetzung des Erblassers durch die Ehefrau. Das bestimmende Motiv der Schlusserbeneinsetzung de...