Leitsatz (amtlich)

Leitet der Rechtsanwalt von seinem Mandanten zur Erfüllung eines Entschuldungsvergleichs überlassene Geldbeträge nach Entnahme seines Anwaltshonorars abredewidrig oder ohne ausreichende Beratung unvollständig an den Gläubiger weiter, so führt dieses Fehlverhalten nicht zu einem Schaden, wenn die vollständige Zahlung der Insolvenzanfechtung unterlegen wäre.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 667, 675; InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 3 O 319/00)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7.5.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal – Einzelrichter – teilweise abgeändert und die Klage kostenpflichtig zu Lasten des Klägers ganz abgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung von 8.000 Euro abzuwenden, es sei denn, der Beklagte leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

 

Tatbestand

Der beklagte Rechtsanwalt hatte im Oktober 1999 im Auftrag der Insolvenzschuldnerin (nachfolgend Schuldnerin genannt) mit einer Gläubigerin einen Vergleich geschlossen. Danach sollte eine zu Gunsten der Gläubigerin titulierte Forderung von mehr als 200.000 DM mit einer bis zum 13.10.1999 zu leistenden Zahlung von 25.000 DM (neben der Inanspruchnahme einer Bankbürgschaft von knapp 41.000 DM) abgelöst werden. Die Schuldnerin zahlte den Ablösungsbetrag anforderungsgemäß am 8.10.1999 auf ein Konto des Beklagten. Weil die Schuldnerin die zuvor erteilten drei Honorarrechnungen (insgesamt 42.902 DM) nicht ausglich, beanspruchte der Beklagte die eingegangene Zahlung in Höhe des Honorars für diese Angelegenheit (17.902 DM) für sich. Den überschießenden Betrag (7.098 DM) leitete er an die Gläubigerin weiter. Mangels Zahlungsfähigkeit erbrachte die Schuldnerin keine weiteren Leistungen. Auf ihren Antrag vom 19.11.1999 wurde gegen sie am 14.1.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet, in welchem der Kläger als Verwalter eingesetzt ist. Auf die erklärten Anfechtungen haben der Beklagte die an ihn gelangte Leistung voll, die Gläubigerin (nach Abschluss eines Vergleichs mit dem Kläger) zur Hälfte zur Masse zurückgezahlt. Zu Gunsten der Gläubigerin ist eine Forderung von 215.751,60 DM zur Tabelle festgestellt.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe eines erstrangigen Teilbetrags von 75.000 DM in Anspruch. Er hat geltend gemacht:

Hätte der Beklagte pflichtgemäß den Ablösungsbetrag ungekürzt und unverzüglich an die Gläubigerin weitergeleitet, wäre die Verbindlichkeit ggü. der Gläubigerin in Höhe des Erlassbetrags von (215.751,60 DM – 25.000 DM) 190.751,60 DM erloschen.

Er hat im Wege der Teilklage deshalb beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 75.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.6.2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und geltend gemacht:

Die Einbehaltung des Teilbetrags von 17.902 DM sei nicht pflichtwidrig gewesen. Der Geschäftsführer der Schuldnerin habe vielmehr dieser Verfahrensweise ausdrücklich zugestimmt. Ferner sei ein Schaden nicht feststellbar. Der Kläger trage nicht vor, dass die Gläubigerin im Insolvenzverfahren einen über 25.000 DM hinausgehenden Anspruch durchsetzen könne.

Das LG hat nach Beweisaufnahme der Klage (bis auf einen Teil der Zinsforderung) stattgegeben. Eine Zustimmung des Geschäftsführers der Schuldnerin zur Einbehaltung eines Teils des Ablösebetrags könne nicht festgestellt werden. Dass die zu erwartende Insolvenzquote niedriger sei als die zur Tabelle angemeldete Forderung, ändere nichts am Umfang des von der Schuldnerin erlittenen Schadens.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, rügt die Beweiswürdigung des LG und macht ergänzend geltend: Die Schuldnerin sei schon bei Vergleichsabschluss zahlungsunfähig und überschuldet gewesen. Der Kläger hätte, da auch keine Masse vorhanden sei, den Vergleich, wäre er zustande gekommen, im Interesse der Insolvenzmasse anfechten müssen, so dass letztlich ein Schaden nicht eingetreten sei.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochten Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung.

Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend: Es stehe gar nicht fest, dass die Schuldnerin innerhalb der maßgeblichen Anfechtungsfrist Insolvenzantrag hätte stellen müssen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Rechtsmittel des Beklagten führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils sowie zur gänzlichen Klageabweisung.

1. Allerdings geht das LG zu Recht von einer Pflichtverletzung des Beklagten aus. Dabei kann offen bleiben, ob der Beweiswürdigung des LG gefolgt werden kann. Ganz unabhängig davon, wie der Geschäftsführer der Schuldnerin auf das Ansinnen des Beklagten (Verwendung des Ablösebetrags zur Erfüllung der Honorar- statt der Vergleichsforderung) reagiert hatte, durfte der Beklagte den treuhänderisch e...

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