Leitsatz (amtlich)
1. Der Patient, der das Vorliegen eines Behandlungsfehlers beweisen muss, kann sich nicht darauf beschränken, die Richtigkeit der Behandlungsdokumentation (mit Nichtwissen) zu bestreiten. Ist die Dokumentation äußerlich ordnungsgemäß und bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit begründen können, ist bei der Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, der dokumentierte Behandlungsverlauf zugrunde zu legen.
2. Bestreitet der Patient, vor einem Eingriff mündlich über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden zu sein, darf nicht allein aufgrund eines von ihm unterzeichneten Aufklärungs- und Einwilligungsformulars davon ausgegangen werden, dass das erforderliche Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient stattgefunden hat. Es kann aber gerechtfertigt sein, den Arzt als Partei hierzu zu vernehmen, wenn das Formular handschriftliche Eintragungen zum Inhalt eines Aufklärungsgesprächs enthält.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 23.03.2004; Aktenzeichen 1 O 250/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.3.2004 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Orthopäden, wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund einer vermeintlichen Schädigung bei einer Arthroskopie des linken Knies nach einem Joggingunfall im Jahre 1999 in Anspruch. Bei dem Eingriff hatte der Beklagte eine breite pneumatische Oberschenkelmanschette verwendet, um Einblutungen während der Operation zu vermeiden. Ausweislich des Operationsberichtes fanden sich intraoperativ ein Innenmeniskuskorbhenkelriss sowie eine Erweichung des Knorpelgewebes, die operativ versorgt wurden. Da sich in Höhe des medialen Arthroskopiezugangs Narbengewebe bildete und der Kläger Schmerzen beim Knien verspürte, wurde am 23.4.1999 eine Exzision des Narbenherdes durchgeführt.
Der Kläger hat geltend gemacht, bei der vom Beklagten vorgenommenen Arthroskopie sei es zu einer Druckschädigung des Musculus quadrizeps infolge des fehlerhaften Anlegens oder einer Fehlfunktion der Druckmanschette gekommen. Das Anlegen der Blutsperre sei unnötig gewesen; über die damit verbundene Gefahr einer Muskelschädigung habe der Beklagte nicht aufgeklärt. Seit dem Eingriff leide er, der Kläger, unter einer Schwäche der Oberschenkelmuskulatur und einem ständigen Belastungsschmerz des linken Oberschenkels und sei zu 50 % schwerbehindert. Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass der Beklagte bei den Operationen entsprechend dem einzuhaltenden medizinischen Standard vorgegangen sei. Zwar stehe die Muskelrückbildung im Oberschenkel des Klägers im Zusammenhang mit der angelegten Blutsperrenmanschette, dies sei jedoch auf eine zufällige und schicksalhafte Störung zurückzuführen. Eine Operation ohne Blutsperre sei keine echte Behandlungsalternative; die Behauptung des Klägers, es seien noch andere, risikoärmere Methoden in Betracht gekommen, sei verspätet, da vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu dieser Frage nicht mehr möglich gewesen sei. Aufgrund des vom Kläger unterzeichneten Aufklärungsbogens stehe auch fest, dass der Beklagte ihn sowohl schriftlich als auch mündlich über mögliche Gefahren des Eingriffs aufgeklärt habe; seine erstmals nach der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, es habe überhaupt kein Aufklärungsgespräch stattgefunden, sei nicht plausibel und im Übrigen nicht zu berücksichtigen, da sich die gewährte Schriftsatzfrist allein auf eine Erwiderung zu etwaigem neuen Vorbringen des Beklagten zu dessen in der mündlichen Verhandlung übergebenem Schriftsatz vom 19.2.2004 bezogen habe.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er vorrangig darauf stützt, dass das LG seinen Sachvortrag zur mangelnden Aufklärung zu Unrecht zurückgewiesen habe. Darüber hinaus rügt der Kläger, dass das LG sich nicht damit befasst habe, dass er in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 8.3.2004 die Frage aufgeworfen habe, ob es nicht sach- und fachgerecht gewesen wäre, von einer Blutsperre abzusehen, da er schon im Rahmen der ersten Operation über Taubheitsgefühle geklagt habe. Schließlich habe das LG auch zu Unrecht eine Gutachtenergänzung, die er mit dem Ziel, die Zuverlässigkeit der ärztlichen Dokumentation anzuzweifeln, beantragt habe, abgelehnt. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Dokumentation ergäben sich bereits daraus, dass diese zunächst im Prozess nicht habe vorgelegt können, weil sie a...