Leitsatz (amtlich)
1. Unterschreibt ein angestellter Pathologe ein Gutachten des Instituts, in dem er beschäftigt ist, spricht eine Vermutung dafür, daß er den histologischen Befund persönlich erhoben und den Bericht selbst verfaßt hat.
2. Teilt ein Pathologe dem Internisten, der ihm Gewebeproben aus der Magenschleimhaut eines Patienten zur Begutachtung übersandt hat, aufgrund einer Fehleinschätzung zu Unrecht mit, in mehreren Partikeln sei ein Adenocarcinom nachgewiesen, ist eine sofortige totale Gastrektomie indiziert; der Pathologe kann sich nicht darauf berufen, sein objektiv unrichtiger Befund hätte vor der operativen Magenentfernung nochmals überprüft werden müssen.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Entscheidung vom 12.02.1998; Aktenzeichen 10 O 757/96) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 12. Februar 1998 verkündete Teilurteil der 10. Zivilkammer -- Einzelrichter -- des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Im Anschluß an die von den Parteien übereinstimmend erklärte Erledigung des in der ersten Instanz verbliebenen Teils des Rechtsstreits wird über die Kosten insgesamt wie folgt entschieden:
Der Kläger trägt von seinen in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Auslagen 1/4; ihm werden darüber hinaus 1/6 der in der ersten Instanz entstandenen Gerichtskosten auferlegt.
Die weiteren Kosten des ersten Rechtszuges und die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Der am 29. Oktober 1937 geborene Kläger litt seit vielen Jahren unter regelmäßig auftretenden kolikartigen Oberbauchbeschwerden. Zur diagnostischen Abklärung dieses Krankheitsbildes begab er sich am 18. Dezember 1991 in die internistische Ambulanz des St. A in S Dort führte man eine Gastroskopie durch, bei der sich Symptome einer Antrumgastritis und einer Oesophagitis zeigten. Man entnahm mehrere Gewebeproben, die man zur histologischen Begutachtung in das Institut für Pathomorphologie in M übersandte. Leiter dieser Praxis war der ursprünglich im Rechtsstreit ebenfalls in Anspruch genommene Pathologe ... Dr. M; der Beklagte war in dem Institut im Sommer und im Dezember 1991 zeitweise beschäftigt. Am 19. Dezember 1991 unterzeichnete er mit dem Zusatz "i.V." einen pathologisch-anatomischen Befundbericht (vgl. Bl. 121 GA), in dem ein Teil der Gewebeproben wie folgt beschrieben ist:
"Mehrere Partikel der Magenschleimhaut, wobei man am Rande sowohl Fundus -- als auch Corpusdrüsen erkennt. In allen Gewebsstücken erkennt man an der Oberfläche ein atypisches Drüsenepithel mit sehr dicht liegenden Drüsenschläuchen. Dabei beobachtet man an mehreren Stellen atypische Zellen, vereinzelt liegen auch Mitosen vor. Abschnittsweise wird dieses Gewebe von flächenhaften Nekrosen eingenommen.
In den vorliegenden Schnitten reicht dieses Tumorgewebe bis an die Lamina muscularis mucosae heran. Am Rande erkennt man ein Vorwachsen von Tumorzellsträngen unterhalb der Corpusschleimhaut."
Als Diagnose ist hinsichtlich der beschriebenen Gewebsstücke vermerkt:
"In mehreren Partikeln Nachweis eines Adenocarcinoms, das in vorliegenden Schnitten bis an die Lamina muscularis mucosae heranreicht. Die Befunde sprechen somit für das Vorliegen eines Magenfrühcarcinoms, ein tiefergehendes Wachstum kann naturgemäß am vorliegenden Material nicht ausgeschlossen werden."
Zur weiteren diagnostischen Abklärung begab sich der Patient vom 27. Dezember 1991 bis zum 3. Januar 1992 in die stationäre Behandlung der inneren Abteilung des St. A. Dort fand man sonographisch keine Hinweise auf eine Metastasierung im Bereich der Leber oder paraaortalen Lymphknoten; auch laborchemisch zeigte sich kein Anhalt für eine fortgeschrittene maligne Grunderkrankung (vgl. Bericht vom 3. Januar 1992, Bl. 74 f. GA). Dennoch hielt man angesichts des von dem Beklagten unterzeichneten histologischen Befunds eine frühzeitige chirurgische Intervention für die Therapie der Wahl und überwies den Patienten auf seinen Wunsch in das Krankenhaus M H in M In der dortigen chirurgischen Klinik wurde am 7. Januar 1992 eine erneute Gastroskopie durchgeführt, bei der man eine aufgerauhte Fundusschleimhaut sowie im Pylorusbereich kleinere Pseudopolypen feststellte; man exzidierte erneut Schleimhautproben die man zur histologischen Untersuchung einsandte; die Begutachtung dieser Gewebsstücke durch den Pathologen Dr. O ergab eine geringgradige Fundusgastritis und diskrete entzündliche Stromareaktionen der Pylorusschleimhaut; ein maligner Tumor wurde nicht gefunden. Dennoch führte man im Anschluß an den von dem Beklagten unterzeichneten Untersuchungsbericht vom 19. Dezember 1991 am 13. Januar 1992 eine totale Gastrektomie durch. Die histologische Begutachtung der bei der Operation entnom...