Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit einer unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste
Leitsatz (amtlich)
1. Entgegen der Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG ist kein vorsätzlicher Verstoß des Versicherungsnehmers gegen seine Obliegenheit anzunehmen, der Polizei unverzüglich eine Stehlgutliste vorzulegen, wenn der Versicherungsnehmer dem Agenten zwei Wochen nach dem Einbruchdiebstahl eine Schadenliste ausgehändigt hat, aber weder dieser noch die Polizei bei Übergabe des entspr. Formulars auf die Notwendigkeit der unverzüglichen Vorlage der Stehlgutliste hingewiesen haben und auch das Schadensanzeigeformular des Versicherers darauf nicht mit der gebotenen Klarheit aufmerksam macht.
2. Die grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei ist ohne Einfluss auf den Umfang der vom Versicherer zu erbringenden Leistung geblieben, wenn sich die Fahndungsmaßnahmen der Polizei darauf beschränkt hätten, für gestohlene Gegenstände, die aufgrund von Herstellerkennzeichnungen, Gerätenummern oder dauerhaften Merkmalen individualisierbar sind, eine Meldung in einen internationalen EDV-Suchverband einzustellen, während die konkrete Diebesbeute im Wesentlichen aus Schmuck und sonstigen Teilen bestand, die sich für eine solche Meldung nicht eignen.
Normenkette
VHB 84 § 3 Nr. 2, §§ 5, 1a, 21 Nrn. 1b, § 3; VVG § 6 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 06.08.2002; Aktenzeichen 3 O 540/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.8.2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Kleve – Einzelrichter – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des Verurteilungsbetrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger seinerseits Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger beansprucht Versicherungsleistungen aus der Hausratversicherung (VHB 84) wegen Einbruchdiebstahls.
In der Nacht vom 10. auf den 11.2.2001 drangen unbekannt gebliebene Täter in das Einfamilienhaus des Klägers in K. ein und entwendeten nach Behauptung des Klägers vornehmlich Schmuck und Bargeld (Schadenliste BA 16 Js 548/01 StA Kleve Bl. 52). Mit Schreiben vom 26.7.2001 (GA 14) verweigerte die Beklagte Versicherungsschutz mit der Begründung, da die Stehlgutliste (§ 21 1b) VHB 84) trotz mehrfacher Anforderung der Polizei erst am 15.3.2001 vorgelegt worden sei, sei sie unter dem Blickwinkel der Obliegenheitsverletzung leistungsfrei.
Das LG hat der Klage (nach Beweisaufnahme, GA 83 ff.) im Wesentlichen, nämlich i.H.v. 27.082,93 Euro, stattgegeben und u.a. ausgeführt, in Betracht komme hier allenfalls eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung; diese führe indes nicht zur Leistungsfreibeit, weil davon auszugehen sei, dass sich die verspätete Einreichung der Stehlgutliste nicht ausgewirkt habe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, was die Polizei bei früherer Vorlage der Liste veranlasst haben würde.
Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte, das LG habe die für eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung sprechende Vermutung ohne hinreichende Grundlage für widerlegt gehalten. Entgegen dem angefochtenen Urteil sei auch der Kausalitätsgegenbeweis in Bezug auf die verspätete Vorlage der Stehlgutliste nicht erbracht. Die Feststellungen des LG zur Höhe seien rechtsfehlerhaft.
Der Senat hat Beweis erhoben.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Der Versicherungsfall – Einbruchdiebstahl (§§ 3 Nr. 2, 5 Nr. 1a) VHB 84) – ist erwiesen. Das LG hat für den Senat bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) festgestellt, dass der Kläger Opfer eines Einbruch diebstahls geworden ist. Ihre dagegen ursprünglich geäußerten Bedenken, die an der Wintergartentür vorgefundenen Spuren ließen den Schluss auf ein gewaltsames Eindringen nicht zu, hat die Beklagte im Senatstermin fallen gelassen (vgl. Protokoll v. 25.2.2003 GA 149).
2. Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Beklagte nicht wegen verspäteter Vorlage eines Verzeichnisses der abhanden gekommenen Sachen (Stehlgutliste) bei der Polizei (§ 21 Nr. 1b i.V.m. § 21 Nr. 3 VHB 84, § 6 Abs. 3 VVG) leistungsfrei geworden.
Die Vorlage der Liste bei der Polizei am 15.3.2001 (BA 16 Js 548/01 StA Kleve, Bl. 78) war zwar verspätet. Seit dem Versicherungsfall vom 10./11.2.2001 war mehr als ein Monat verstrichen. Die Vorlage war damit nicht mehr unverzüglich.
Zu Recht hat das LG jedoch die Vermutung (§ 6 Abs. 3 VVG) für widerlegt gehalten, dass der Kläger gegen die Obliegenheit, die Liste unverzüglich vorzulegen, vorsätzlich verstoßen hat. Die als Zeugin vernommene Ehefrau des Klägers hat vor dem Senat glaubhaft ausgesagt, sie und ihr Mann seien zwar darüber informiert gewesen, dass sie eine solche Liste der Polizei übergeben sol...