Leitsatz (amtlich)
Die Mietzinsklage ist im Urkundenprozess unstatthaft, wenn die Mietsache unstreitig mit einem anfänglichen Mangel behaftet war und der Vermieter die vom Mieter bestrittene Beseitigung des Mangels nicht urkundlich zu beweisen vermag.
Normenkette
ZPO § 592; BGB §§ 535-536
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 24.05.2007; Aktenzeichen 8 O 446/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.5.2007 verkündete Vorbehaltsurteil der 8. Zivilkammer des LG Duisburg aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.1. Das Rechtsmittel hat einen vorläufigen Erfolg. Die jetzt noch auf Mietzahlung für die Zeit von August 2005 bis einschließlich Juni 2006 gerichtete Klage i.H.v. [(4 Mon × 962,80 EUR)+(6 Mon × 1.212,30 EUR)] 12.087,80 EUR (nicht 12.088,75 EUR, wie versehentlich tenoriert) ist, was das LG übersehen hat, im Urkundenprozess unstatthaft. Das beruht darauf, dass die Kläger den ihnen obliegenden Beweis mit den in der hier gewählten Prozessart zulässigen Beweismitteln nicht führen können. Denn sie sind weder imstande, die Erfüllung ihrer vertraglichen Hauptpflicht, nämlich die vertragsgemäße Gewährung des Mietgebrauchs (§ 535 Abs. 1 BGB), noch die Höhe des Mietzinsanspruchs für die Zeit ab Gebrauchsüberlassung (Mitte Juli 2005) und damit auch nicht für die hier umstrittene Zeit durch Urkunden zu beweisen (§ 535 Abs. 2 BGB). Entsprechend dem Antrag der Kläger ist das angefochtene Vorbehaltsurteil deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 5 ZPO.
a) Ein Zahlungsanspruch kann gem. § 592 Satz 1 ZPO im Urkundenprozess nur dann geltend gemacht werden, wenn alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Zu den den Anspruch auf Mietzahlung begründenden Tatsachen gehört gem. § 536 Abs. 1 Satz 1, 1. Altn. BGB, dass dem Mieter eine mangelfreie Mietsache überlassen worden ist (OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 97, 99 = ZMR 2004, 673 = NZM 2004, 946; anderes bei erst nachträglich eingetretenem Mangel, vgl. BGH NJW 2005, 2701 sub II 2b und 2007, 1061 sub II. 2). Die mangelfreie Übergabe der Mietsache muss der Vermieter gem. § 362 Abs. 1 BGB analog darlegen und notfalls beweisen (vgl. Palandt/Grünberg, BGB, 67. Aufl., § 363 Rz. 1), es sei denn, der Mieter hat die ihm überlassene Mietsache vorbehaltlos als vertragsgemäß angenommen, § 363 BGB (vgl. BGH NJW 1985, 2328). Gilt der anfängliche Mangel als bewiesen, ist der Vermieter auch darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Mangel beseitigt worden ist (vgl. BGH NJW 2000, 2344, 2345 sub II. 2a m.w.N.; Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 536 Rz. 5). Im Urkundenprozess ist dieser Beweis nur urkundlich führbar (vgl. Senat, a.a.O.). Ist die Mietsache mit einem anfänglichen Mangel behaftet, ist die Miete kraft Gesetzes gemindert (§ 536 Abs. 1 BGB), deren Höhe kann nicht mehr durch die Mietvertragsurkunde bewiesen werden (Senat, a.a.O.).
b) Im Streitfall ist urkundlich, nämlich durch die Mietvertragsurkunde bewiesen (vgl. § 33 letzter Absatz), dass die Mietsache bei Zustandekommen des Mietvertrags (24.6.2005) von Ungeziefer befallen war, also mangelhaft gewesen ist und dass der Vermieter für die Beseitigung des Mangels einzustehen hat. Die Kläger sind nicht imstande, die Mangelfreiheit der Mietsache bei ihrer Überlassung an die Beklagte urkundlich zu beweisen. Damit steht zugleich fest, dass sie auch die Höhe der kraft Gesetzes geminderten Miete (§ 536 Ab. 1 1 Satz 1 BGB) nicht urkundlich beweisen können.
2. Der Senat entscheidet in der Sache nicht selbst.
a) Zur Frage der Mangelhaftigkeit der Mietsache und zur Höhe der Miete wird in erheblichem Umfang Beweis zu erheben sein, was der Senat dem LG überlässt, das diese Fragen im Zuge des vorbehaltenen Nachverfahrens ohnehin noch hätte entscheiden müssen.
b) Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Auslegung des Mietvertrags (künftig: MV) durch das LG auf Bedenken stößt.
aa) § 9 Satz 1 MV enthält keinen Ausschluss des gesetzlichen Minderungsrechts (§ 536 BGB), sondern nur eine sog. Ankündigungsklausel, deren Zweck es ist, die Liquidität des Vermieters nicht unvorbereitet durch Minderung und/oder Aufrechnung mit Gegenforderungen zu gefährden (vgl. BGH NJW-RR 1988, 329 = ZMR 1988, 135 sub II.1b). Spätestens die Nichtzahlung der Augustmiete dürfte eine solche Ankündigung darstellen, so dass spätestens ab September 2005 die in Rede stehende Klausel leer läuft.
bb) Auch § 9 Satz 2 MV enthält keinen Ausschluss des gesetzlichen Minderungsrechts (§ 536 BGB), sondern nur den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts (§§ 273, 320 BGB) und den Ausschluss der Aufrechnung mit Gegenforderungen, es sei denn, es handelt sich um (beliebige) unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte oder um (auch umstritte...