Leitsatz (amtlich)
1. Für die Annahme einer nachträglichen konkludenten Rechtswahl kann es ausreichen, wenn die Vertragsparteien im Prozess deutlich auf eine bestimmte Rechtsordnung Bezug nehmen oder diese ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde legen. Für einen solchen Rückschluss aus dem Prozessverhalten einer Partei auf eine stillschweigende Rechtswahl ist ein dahingehender übereinstimmender Gestaltungswille der Parteien erforderlich. Die übereinstimmend geäußerte irrige Auffassung, eine bestimmte Rechtsordnung sei maßgeblich, genügt für die Feststellung eines solchen Gestaltungswillens nicht.
2. Ein abstraktes Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB liegt nur dann vor, wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d.h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll. Über diese selbständige Natur des Versprechens müssen sich die Vertragspartner einig geworden sein. Eine Vermutung für ein abstraktes Leistungsversprechen kann regelmäßig nicht anerkannt werden. Ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Verpflichtung besteht darin, dass der Schuldgrund in der Urkunde nicht oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird. Wird demgegenüber in der schriftlichen Erklärung ein bestimmter Schuldgrund angegeben, so ist ein selbständiger Verpflichtungswille im Zweifel nicht anzunehmen.
3. Die in der Türkei abgegebene schriftliche Erklärung eines in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Schwiegervaters ggü. der Ehefrau seines ebenfalls in der Bundesrepublik lebenden Sohnes, er zahle dieser im Falle der Ehescheidung einen Betrag von 30.000 EUR zur Sicherung des Lebensunterhaltes, ist schuldrechtlich zu qualifizieren, so dass hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen und Rechtswirkungen in Ermangelung einer Rechtswahlvereinbarung über Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB deutsches Sachrecht, hier Schenkungsrecht zur Anwendung gelangt.
4. Nach dem für die Formerfordernisse eines in der Türkei abgegebenen Schenkungsversprechens gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB (Ortsstatut) einschlägigen türkischen Obligationenrecht bedarf es für die Formwirksamkeit lediglich der Einhaltung der Schriftform.
Normenkette
BGB §§ 780, 516, 518; EGBGB Art. 27-28, 11
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 21.05.2008; Aktenzeichen 7 O 66/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Wuppertal vom 21.5.2008 - 7 O 66/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 23.12.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das weitergehende Rechtsmittel des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Klägerin Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Beklagte ist der ehemalige Schwiegervater der Klägerin. Die Klägerin hatte am 18.7.2000 in der Türkei mit dem Sohn des Beklagten, Herrn Ü.C, die Ehe geschlossen. Am 19.8.2001 unterzeichnete der Beklagte in der Türkei in der Wohnung der Eltern der Klägerin eine in türkischer Sprache abgefasste Erklärung mit folgendem Inhalt:
"Schuldanerkenntnis vom 19.8.2001
Ich, B. Ç., bringe die am 14.10.1983 geborene Tochter Ö des Herrn M. K., nach dem sie meinen Sohn Ü. geheiratet hat, nach Deutschland. Falls sich mein Sohn Ü. und meine Schwiegertochter Ö wegen Zerrüttung der Ehe scheiden lassen sollten, verpflichte ich mich, um den weiteren Lebensunterhalt meiner Schwiegertochter Ö sicher zu stellen, in Anwesenheit der 3 Zeugen O. A., M. R... und R. K., 30.000 EUR (i.W.: dreißigtausend) an meine Schwiegertochter Ö K. zu zahlen.
Zeuge: O. A. (Unterschrift)
Zeuge: R. K. (Unterschrift)
Zeuge M. R. (Unterschrift)
B. Ç.
(Unterschrift)"
Die Ehe der Eheleute C. wurde am 20.9.2006 rechtskräftig geschieden.
Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte sei aufgrund der Erklärung vom 19.8.2001 wegen der zwischenzeitlichen Scheidung verpflichtet, an sie 30.000 EUR zu zahlen.
Sie hat dementsprechend erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 594,93 EUR nebst Zinsen zu verurteilen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er hat die Ansicht vertreten, zu einem wirksamen Schuldanerkenntnis sei es nicht gekommen, weil die Erklärung nicht von der Klägerin unterzeichnet worden sei. Im Übrigen sei der Vertrag gem. § 138 BGB nichtig, weil er finanziell nicht in der Lage sei, den Betrag von 30.000 EUR zu zahlen. Außerdem sei die Erklärung gem. § 134 BGB nichtig, da es gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen würde, dass der Bekla...