Leitsatz (amtlich)

1. Dem Werkunternehmer steht grundsätzlich ein Recht zur Selbstvornahme der Nacherfüllung zu, woraus eine entsprechende Obliegenheit des Auftraggebers folgt, dem Werkunternehmer die Ausübung dieses Rechts auch rechtzeitig und hinreichend und hinsichtlich aller gerügten Mangelsymptome bzw. -ursachen zu ermöglichen.

2. Bei der Frage nach dem Verlust des Selbstvornahmerechts durch ein in einem ersten Ortsermin erklärtes Einverständnis des Werkunternehmers mit einer Mängelbeseitigung durch eine andere Firma ist zu klären, worauf sich dieses Einverständnis konkret bezieht, zumal an die Annahme - konkludenter - Anerkenntnis- bzw. Verzichtserklärungen grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen sind.

3. Dies gilt insbesondere, wenn sich - über eine in einem ersten Ortstermin zunächst erörterte "kleine Variante" (hier: bloße Behebung von Luftundichtigkeiten im Bereich der Drempel im 1. OG und Kontrolle durch weiteren Blower-Door-Test) hinaus - erst in einem zweiten Ortstermin stufenweise bzw. sukzessive neue Erkenntnisse zu Mangelerscheinungen bzw. -ursachen anderer Art bzw. an anderer Stelle des Objekts (hier: fehlende Wärmedämmung und Schimmelbildung im 2. OG/Spitzboden) und damit zugleich zu Art und Umfang notwendiger Mangelbeseitigungsmaßnahmen ergeben.

4. Wird eine Kostenerstattungsklage erhoben, nachdem Mängel ohne ein vorheriges Nacherfüllungsverlangen beseitigt worden sind, trifft den Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast, dass der Unternehmer auch bei einem unterstellten ordnungsgemäßen Nacherfüllungsverlangen endgültig nicht mehr bereit gewesen wäre, den Mangel zu beseitigen. Das spätere Prozessverhalten des Unternehmers entfaltet in solchen Fällen regelmäßig keine Indizwirkung, soweit es sich nach den Umständen als "prozesstaktisches Bestreiten" darstellt.

5. Auch die Missachtung wesentlicher Bestandteile eines Werkauftrages berechtigt den Auftraggeber im Rahmen von § 636 BGB regelmäßig nicht ohne weiteres, auf ein (weiteres) Nacherfüllungsverlangen zu verzichten; dies gilt erst recht, wenn die Werkvertragsparteien zuvor in ständiger Geschäftsbeziehung mit einem sechststelligen Umsatz im Vorjahr gestanden haben.

6. Folge der Obliegenheitsverletzung des Auftraggebers durch Missachtung des Nacherfüllungsrechts des Werkunternehmers ist der vollständige Ausschluss jeglicher Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Erstattung der Kosten der unberechtigten Ersatzvornahme.

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Urteil vom 28.05.2015; Aktenzeichen 10 O 389/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 28.05.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers - wegen der Kosten - gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beklagte macht - nach Verzicht auf die ehemalige Klageforderung (150 GA) und entsprechendem Teilverzichtsurteil (242 ff. GA) - zuletzt gegen den Kläger im Wege der Widerklage Schadensersatz in Gestalt von Ersatzvornahmekosten in Höhe von 25.035,12 EUR (32.541,59 EUR./. mit der ehemaligen Klageforderung verrechneter 6.507,47 EUR) nebst Prozesszinsen geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Widerklage nach Hinweisen (54 ff./67/227/245 GA) und Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Ba. und Bi. (67 ff./74/80 GA), schriftlichem Gutachten des Sachverständigen Bo. (67, 114 ff. GA) nebst mündlichem Ergänzungsgutachten (245/269 ff. GA) abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Über die Verrechnung mit der ehemaligen Klageforderung hinausgehende Mangelbeseitigungskosten könne die Beklagte vom Kläger nicht gemäß §§ 636, 634 Abs. 2, 637 BGB ersetzt verlangen, da es an der erforderlichen Nachbesserungsgelegenheit für den Kläger ebenso fehle wie an der erforderlichen Nachfrist.

Das Gewerk des Klägers sei zwar - inzwischen unstreitig - mangelhaft gewesen.

Die Übersendung des Gutachtens vom 30.08.2013 durch das Gericht ersetze indes die notwendige Nachbesserungsaufforderung bzw. Fristsetzung nicht.

Der Kläger habe auf sein Nachbesserungsverzicht im ersten Ortstermin auch nur im Hinblick auf die unzureichende Sperrfolienanführung an den beiden Drempeln (einschl. Schlafzimmer) und nur für Kosten bis zur Höhe der damaligen Klageforderung verzichtet. Für alle anderen Mängel habe der Kläger keine Zusagen abgegeben, zumal andere Mängel in diesem Ortstermin weder bekannt noch festgestellt waren. Hierauf sei die Beklagte am 12.06.2014 und am 24.07.2014 vom Gericht hingewiesen worden.

Dass die Beklagte weitere Mängel ohn...

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