Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Auseinandersetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann bei der Feststellung der Pflichten eines gemeinsamen Steuerberaters beider Ehepartner nicht mehr auf die steuerrechtlichen Auswirkungen auf die gesamte Familie als wirtschaftliche Einheit abgestellt werden.
In dieser Phase ist es Pflicht eines gemeinsamen Steuerberaters – will er nicht wegen Interessenkollision das Mandat für einen der beiden Ehegatten niederlegen – auch deren Innenverhältnis zu berücksichtigen und über alle in Betracht kommenden steuerrechtlichen Varianten und deren wirtschaftlichen Folgen für jeden einzelnen Ehegatten zu beraten.
2. Entsprechend § 287 ZPO und den Regeln des Anscheinsbeweises kommt im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität die Vermutung in Betracht, dass sich bei pflichtgemäßer Belehrung durch den Steuerberater die Eheleute die nur für einen Ehepartner entstehende Steuerbelastung im Rahmen ihrer Vermögensauseinandersetzung hälftig geteilt hätten.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 4 O 277/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Krefeld vom 31.10.2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Beklagten teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des LG Krefeld vom 25.1.2000 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 5.411,38 DM nebst 8,5 % Zinsen seit dem 28.8.1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Beklagten im Termin vom 25.1.2000; diese trägt der Beklagte in vollem Umfang.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat nur teilweise Erfolg.
I. Die Klägerin kann vom Beklagten Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung i.H.v. 5.011,38 DM verlangen.
1. Der Beklagte war als Steuerberater unaufgefordert verpflichtet, die Klägerin als damalige Mandantin über den umsatzsteuerrechtlichen Hintergrund der beabsichtigten, ehescheidungsbedingten Vermögensauseinandersetzung aufzuklären. Der Beklagte hatte unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum der Trennung und Scheidung der Eheleute das Mandat, die Klägerin und deren damaligen Ehemann umfassend steuerlich zu beraten. Die Aufgaben eines Steuerberaters richten sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH WM 1987, 662). Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrages zu beachten sind. In den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Mandanten auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (BGH v. 8.12.1994 – III ZR 105/93, BGHZ 128, 361 = MDR 1995, 480; WM 1980, 309; WM 1967, 73).
Während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.v. § 1353 BGB betrachten sich Eheleute regelmäßig als wirtschaftliche Einheit. Wenn jeder von ihnen bereit ist, persönliche, steuerliche oder finanzielle Nachteile in Kauf zu nehmen, falls sich dadurch die Vermögenslage der Familie im Ganzen bessert, ist es verfehlt, bei der Feststellung der Beraterpflichten bzw. eines Schadens bei deren Verletzung allein darauf abzustellen, inwieweit sich die Vermögensverhältnisse eines bestimmten Familienangehörigen durch ein Tun oder Unterlassen des Beraters verändern. Es müssen vielmehr vom Berater die Auswirkungen auf alle Familienangehörigen in Betracht gezogen werden (BGH ZIP 1986, 1468; WM 1985, 319).
Diese Grundsätze können indes bei der Absicht zur bzw. nach Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.v. § 1353 BGB während der Phase des Getrenntlebens und der Scheidungsvorbereitung (hier mit Aufteilung des Immobilienvermögens und Abschluss eines Ehevertrages) nicht weiter uneingeschränkt gelten, da dann gerade nicht mehr anzunehmen ist, dass es den scheidungswilligen und gegebenenfalls bereits getrennt lebenden Eheleuten weiter darauf ankommt, ihre Vermögensverhältnisse so zu ordnen, dass von ihnen bei einer ehebezogenen Gesamtbetrachtung ein möglichst günstiges Ergebnis erzielt wird, auch wenn – isoliert betrachtet – der eine oder andere Ehepartner dabei einen vermögensrechtlichen Nachteil erleidet. In dieser Phase der Auseinandersetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist es Pflicht des Steuerberaters – will er nicht wegen Interessenkollision das Mandat für einen der beiden Ehepartner niederlegen –, auch das Innenverhältnis der getrennt lebenden Eheleute hinreichend zu berücksichtigen und über alle in Betracht kommenden steuerrechtlichen Varianten und deren wirtschaftlichen Folgen für beide Eheleute (mit entsprechender Einzelbetrachtung) zu beraten. Auf Basis einer solchen pflichtgemäßen steuerrechtlichen Beratung sind dann gegebenenfalls Überlegungen der beiden Ehepartner zu einem sachgerechten Interessenausgleich durch privatrechtliche Erstattungen im ...