Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung einer intra-cytoplasmatischen Spermien-Injektion
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 08.07.2003; Aktenzeichen 6 O 525/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8.7.2003 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Duisburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.857,85 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2002 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für einen weiteren noch ausstehenden Versuch einer intra-cytoplasmatischen Spermien-Injektion zu erstatten.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, der bei der Beklagten auf der Grundlage der MB/KK 94 eine private Krankenversicherung unterhält, leidet an einer Oligoasthenozoospermie (OAT-Syndrom). Er ist deshalb zeugungsunfähig. Seine inzwischen 33-jährige Ehefrau, bei der keine fertilitätsmindernden Faktoren bekannt sind, und er unterzogen sich 1999 einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit einer intra-cytoplasmatischen Spermien-Injektion (ICSI), wofür die Beklagte Kosten i.H.v. 2.147,43 Euro erstattete. Daraufhin wurde die Ehefrau schwanger und gebar am 20.3.2001 eine Tochter.
Da der Kläger und sie sich ein weiteres Kind wünschten, wurde bei ihnen ab April 2002 erneut eine kombinierte IVF- und ICSI-Behandlung vorgenommen, durch die Kosten i.H.v. 4.857,85 Euro entstanden. Diese Behandlung blieb ohne Erfolg. Beide wollen sich aber noch einem letzten Behandlungszyklus unterziehen. Die dafür anfallenden Kosten werden voraussichtlich rund 500 Euro betragen.
Die Beklagte hat die Übernahme der entstandenen und noch entstehenden Kosten abgelehnt, da nach der Geburt des ersten Kindes die Zeugungsunfähigkeit des Klägers nicht mehr behandlungsbedürftig sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.857,85 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 11.12.2002 zu zahlen und
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für einen zweiten Versuch im Rahmen einer weiteren ICSI-Behandlung zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat sich der Argumentation der Beklagten angeschlossen und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter verfolgt.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die Berufung hat Erfolg.
1. Der Kläger kann von der Beklagten gem. § 1 Nr. 2 MB/KK Erstattung seiner der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen verlangen, weil es sich dabei um Kosten einer medizinisch notwendigen Behandlung handelt.
a) Das OAT-Sydrom, an dem der Kläger leidet, ist als Krankheit anzusehen, da die Fortpflanzungsfähigkeit für Ehepartner, die sich für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion darstellt (BGH v. 17.12.1986 - IVa ZR 78/85, MDR 1987, 390 = VersR 1987, 278, unter II 2b).
b) Die homologe IVF, der sich der Kläger und seine Ehefrau unterzogen haben, ist eine bedingungsgemäße Heilbehandlung, durch die zwar die Ursachen der Fertilitätsstörung nicht beseitigt, wohl aber gelindert werden können (BGH v. 17.12.1986 - IVa ZR 78/85, MDR 1987, 390 = VersR 1987, 278, unter II 3). Nichts anderes gilt, wenn die IVF - wie hier - in Kombination mit einer ICSI-Behandlung vorgenommen wird (BGH v. 3.3.2004 - IV ZR 25/03, GesR 2004, 247 = BGHReport 2004, 802 = MDR 2004, 940 = Juris-Nr. KORE - 312962004, unter II.2.a cc). Dabei handelt es sich auch insgesamt um eine Behandlung des Klägers als versicherter Person i.S.v. § 1 Nr. 2 MB/KK 94, obgleich bei der IVF Eizellen aus dem Eierstock seiner Ehefrau entnommen und der Embryo nach extrakorporaler Erzeugung in ihre Gebärmutter übertragen wurde, denn die IVF bildet zusammen mit der ICSI eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur IVF zählende Eizellenentnahme kann die Injektion der Spermien nämlich nicht durchgeführt werden. Erst die Behandlungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit dienen der Linderung der Unfruchtbarkeit des Klägers. Die damit einhergehende Mitbehandlung seiner - nicht bei der Beklagten versicherten - Ehefrau ist notwendiger Bestandteil dieser Behandlungsmaßnahme (BGH v. 3.3.2004 - IV ZR 25/03, GesR 2004, 247 = BGHReport 2004, 802 = MDR 2004, 940 = Juris-Nr. KORE - 312962004, unter II.2.a cc (2)).
b) Die Behandlung des Klägers war medizinisch notwendig. Maßgeblich ist insofern, dass sie - unstreitig - die einzige medizinisch anerkannte Methode darstellt, mit der die inoperable S...